Entscheidungsstichwort (Thema)
grob fahrlässige Schadensverursachung. Arbeitnehmerhaftung. Haftungsbeschränkung eines Lkw-Fahrers auf drei Bruttomonatsvergütungen. keine Anwendung des § 81 Abs. 2 VVG
Leitsatz (amtlich)
Der Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem bei ihm angestellten Lkw-Fahrer, der grob fahrlässig einen Verkehrsunfall verursacht, ist regelmäßig auf drei Bruttomonatsvergütungen zu beschränken.
Normenkette
BGB §§ 280, 276, 254, 619a; VVG § 81 Abs. 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Augsburg (Urteil vom 24.02.2011; Aktenzeichen 7 Ca 895/10) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 24.02.2011 – Gz. 7 Ca 895/10 – zum Teil abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.179,50 EUR (netto) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2009 zu zahlen.
II. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu 53/100, der Beklagte zu 47/100 zu zahlen. Von den Kosten der 1. Instanz hat die Klägerin 63/100, der Beklagte 37/100 zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob und in welcher Höhe der Beklagte der Klägerin einen Schaden zu ersetzen hat, den er ihr in Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit zugefügt hat.
Der verheiratete, keinem Kind zum Unterhalt verpflichtete Beklagte war seit dem 02.04.2007 bei der Klägerin als Lkw-Fahrer zu 40 Wochenstunden und einer Brutto-Vergütung in Höhe von zuletzt 0,00 EUR monatlich beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.04.2007 sprach die Klägerin dem Beklagten ein absolutes Alkoholverbot am Arbeitsplatz aus und wies ihn darauf hin, dass er sich bei einer Blutalkoholkonzentration ab 0,3 ‰ strafbar machen und seinen Arbeitsplatz verlieren könne. Unter Umständen nehme ihn die Vollkaskoversicherung der Klägerin in Regress. Der Beklagte bestätigte die Kenntnisnahme des Schreibens.
Am 28.06.2008 gegen 3.20 Uhr fuhr der Beklagte mit dem Lkw der Klägerin, amtliches Kennzeichen X, samt Anhänger mit amtlichem Kennzeichen X und Wechselbrücke auf der Bundesautobahn 61 in Fahrtrichtung Süden. Er kam bei trockener Straße von der Fahrbahn ab und fuhr in den rechts vom Standstreifen gelegenen Graben. Bei dem Versuch, den Sattelzug aus dem Graben zu steuern, schleuderte der Sattelzug auf die Fahrbahn zurück und steuerte unkontrolliert in Richtung Mittelschutzplanke, bevor er wieder nach rechts ausscherte. Dabei stürzte der Anhänger des Sattelzugs mitsamt der sich darauf befindlichen Wechselbrücke um und verlor einen Großteil seiner Ladung. Um 5.15 Uhr hatte der Beklagte eine Blutalkoholkonzentration von 0,94 ‰.
Durch inzwischen rechtskräftigen Strafbefehl wurde der Beklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gem. §§ 316 Abs. 1 u. Abs. 2 StGB zu 35 Tagessätzen à 30,– EUR verurteilt.
Nach dem Gutachten des Sachverständigenbüros W. vom 07.07.2008 beliefen sich die voraussichtlichen Kosten für die viertägige Reparatur des Lkw auf 8.377,32 EUR netto. Tatsächlich legte die Klägerin eine Rechnung über Reparaturkosten in Höhe von 3.991,14 EUR netto vor.
Mit Schreiben vom 10.03.2009 verlangte die Klägerin von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 16.718,18 EUR netto. Neben den Reparaturkosten für den Lkw gemäß dem Sachverständigengutachten setzte sich dieser Gesamtbetrag aus den Sachverständigenkosten für dieses Gutachten in Höhe von 718,20 EUR, aus dem Kostenvoranschlag für die Reparatur des Anhängers der Fa. R. M. Kfz-Service GmbH über 2.701,48 EUR, aus Vorhaltekosten für den Lkw für die viertägige Reparaturdauer in Höhe von 434,52 EUR sowie aus Bergungskosten gemäß der Rechnungen der Fa. D. F. GmbH über 1.382,85 EUR, 1.938,30 EUR und 1.140,51 EUR zusammen. Des Weiteren forderte die Klägerin eine Unkostenpauschale von 25,– EUR. Nachdem der Beklagte die Schadensersatzansprüche sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach mit Schreiben vom 17.03.2009 zurückwies, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.03.2010 die vorliegende Klage erhoben, die dem Beklagten am 03.04.2010 zugestellt worden ist. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte habe den Verkehrsunfall auf Grund seines Alkoholkonsums und seiner alkoholbedingten Fahrfehler grob fahrlässig verursacht. Zum Unfallzeitpunkt sei die Straße trocken gewesen und in Fahrtrichtung Süden gerade verlaufen. Auf Grund des Verschuldensgrades scheide eine Haftungsprivilegierung zu Gunsten des Beklagten aus. Der Klägerin sei nicht entgegenzuhalten, dass sie weder eine Vollkaskoversicherung für den Lkw und den Anhänger noch einen Schutzbrief für eine eventuell notwendig werdende Bergung des Sattelzuges abgeschlossen habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe keine Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abschluss einer Vollkaskoversicherung. Darüber hinaus sei ein Schutz des Arbeitnehmers bei grober Fahrlässigkeit nicht zu er...