Entscheidungsstichwort (Thema)
Anpassung von Betriebsrenten an Preisindex
Leitsatz (amtlich)
Für eine am Anstieg des Preisindexes orientierte Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach § 16 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG gilt folgendes: § 30c Abs. 4 BetrAVG ist dahin auszulegen, dass – auch wenn der Zeitpunkt der Anpassungsprüfung nach dem 31.12.2002 liegt – eine Anpassung für Zeiträume vor dem 01.01.2003 noch nach dem Preisindex für die „Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten” von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen” erfolgen kann. Auch wenn dieser Index zwischenzeitlich vom „Verbraucherpreisindex für Deutschland” abgelöst ist, bestehen gegen dessen zeitlich begrenzte Heranziehung im Rahmen einer Übergangsvorschrift keine Bedenken.
Normenkette
BetrAVG § 30c Abs. 4, § 16 Abs. 1, 2 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 19.06.2006; Aktenzeichen 4a Ca 3389/06) |
Tenor
1. Die Berufung gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom19.06.2006 – 4a Ca 3389/06 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die Betriebsrente des Klägers ausreichend angepasst hat.
Der Kläger ist seit 01.03.1999 im Ruhestand und erhält von der Beklagten seitdem eine Betriebsrente.
Die letzte Prüfung der Anpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG fand zum 01. Juli 2005 statt (davor 01. Juli 2002). Die Beklagte nahm eine Anpassung nach dem Preisindex vor. Dabei legte sie für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2002 den „Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen” und für die Zeit von Januar 2003 bis Juni 2005 den „Verbraucherpreisindex für Deutschland” zugrunde (vgl. Erläuterungsschreiben an den Kläger vom 29.08.2005, Blatt 24 d. A.).
Hieraus errechnete sie eine Anpassung von 2,91 %; die monatliche Betriebsrente des Klägers wurde von EUR 3.180,– auf EUR 3.272,54 erhöht.
Zwischen den Parteien ist allein streitig, ob die Beklagte im Rahmen der Anpassung für den Zeitraum bis Ende 2002 noch den Preisindex für 4-Personen-Haushalte heranziehen durfte.
Der Kläger hat ausgeführt, nach dem Wortlaut der Übergangsregelung des § 30 c Abs. 4 BetrAVG sei der „Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten” nur dann anzuwenden, wenn sich die Erfüllung der Anpassungsprüfungspflicht auf den Zeitraum vor dem 01.01.2003 beschränke. Diese gelte insbesondere deshalb, weil dieser Preisindex für die Berichtsmonate ab Januar 2002 bis Dezember 2002 vom Statistischen Bundesamt rückwirkend für ungültig erklärt worden sei. Die Verwendung des alten Indexes sei statistisch nicht korrekt, da er nicht mehr den maßgeblichen Verbrauchsgewohnheiten der Bevölkerung entspreche; seine Anwendung würde den Normzweck des Gesetzes verfehlen.
Der Kläger hat beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 417,20 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2006 zu bezahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte ab 01.03.2006 monatliche Versorgungsbezüge in Höhe von derzeit EUR 3.324,69 an den Kläger zu zahlen hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt, § 30c Abs. 4 BetrAVG sei eindeutig so zu verstehen, dass für Zeiträume vor dem 01.01.2003 noch der Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten und erst für den Zeitraum danach der Verbraucherpreis-index für Deutschland zur Anwendung komme. Deshalb habe sie beim Kläger, soweit der Prüfungszeitraum vor dem 01.01.2003 liegt, den alten Index und nur für den danach liegenden Zeitraum den neuen Verbraucherpreisindex herangezogen.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien im ersten Rechtszug wird ergänzend auf ihre schriftlichen Ausführungen nebst Anlagen und den Tatbestand des Endurteils des Arbeitsgerichts München (Blatt 61 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 19.06.2006 die Klage abgewiesen und dabei ausgeführt, dass § 30c Abs. 4 BetrAVG so zu verstehen sei, dass wenn der 01.01.2003 innerhalb des dreijährigen Vergleichszeitraums liege, für den Zeitraum bis 31.12.2002 der Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten und erst ab 01.01.2003 der Verbraucherpreisindex für Deutschland zur Anwendung komme.
Das dem Kläger am 29.06.2006 zugestellte Urteil hat dieser am 27.07.2006 mit Berufung angegriffen und diese Berufung auch fristgerecht begründet.
Der Kläger rügt, das Erstgericht habe den Normzweck der Übergangsvorschrift des § 30c Abs. 4 BetrAVG verkannt, wobei insbesondere übersehen worden sei, dass gesetzliche Regelungen ihrem Normzweck entsprechend verfassungskonform auszulegen seien. Der Begründung zu § 16 BetrAVG sei zu entnehmen, dass der Preis-index für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten vom Statistischen Bundesamt zum Ende des Jahres 2002 eingestellt worden sei; deshalb sei ab 01.01.2003 der Verbraucherpreisindex für Deutschland in das Betriebsrentengesetz übernommen worden. Da das Statistisch...