Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersdiskriminierung
Leitsatz (amtlich)
Muss für die Gewährung einer tariflichen Jahressonderzuwendung das Arbeitsverhältnis am 1. Dezember des Auszahlungsjahres bestehen, so stellt es keine Diskriminierung wegen des Alters dar, wenn ein Arbeitnehmer wegen Erreichens einer (tariflichen) Altersgrenzenregelung im Verlaufe des jeweiligen Bezugsjahres ausscheidet und wegen des am 1. Dezember nicht mehr bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht in den Genuss der Jahressonderzuwendung kommt. Mangels einer begünstigten Vergleichsgruppe fehlt es bereits an einer Benachteiligung des betreffenden Arbeitnehmers. Selbst wenn man eine Benachteiligung annehmen wollte, wäre diese Stichtagsregelung gerechtfertigt.
Normenkette
TVöD § 20 I; AGG §§ 1, 7, 10; BGB § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 03.02.2011; Aktenzeichen 22 Ca 10139/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 3. Feb. 2011 – 22 Ca 10139/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die tarifliche Jahressonderzahlung für 2009.
Der am 0.0.1944 geborene Kläger war bei der Beklagten seit 1. Okt. 1968 als Angestellter im technischen Dienst beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 1. Okt. 1968 (Anlage K 1, Bl. 4 ff. d. A.) lautet auszugsweise:
„§ 2
Das Arbeitsverhältnis regelt sich nach dem Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) sowie nach den einschlägigen Tarifverträgen und den für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst jeweils geltenden Bestimmungen.
§ 3
Künftige Änderungen des BAT oder ein an seine Stelle tretender Tarifvertrag sowie die sonstigen tarifvertraglichen Vereinbarungen gelten vom Tage des Inkrafttretens an für das vorstehend bezeichnete Arbeitsverhältnis.”
Wegen Erreichens der gesetzlichen Regelaltersrente mit dem 65. Lebensjahr schied der Kläger zum 31. Okt. 2009 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Mit Schreiben vom 5. Feb. 2010 forderte er von der Beklagten die Auszahlung der Jahressonderzuwendung 2009, was diese mit Schreiben vom 15. Feb. 2010 zurückwies.
Mit seiner am 10. Aug. 2010 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und der Beklagten am 23. Aug. 2010 zugestellten Klage vom 9. Aug. 2010 verfolgt der Kläger die Auszahlung der Jahressonderzuwendung 2009 weiter.
Er ist der Ansicht, die Regelung in § 20 TVöD, welche ein bestehendes Arbeitsverhältnis am 1. Dezember des Auszahlungsjahres verlange, stelle eine Altersdiskriminierung dar. Arbeitnehmer, die altersbedingt vor dem 1. Dezember ausschieden, erhielten keine Jahressonderzahlung, während im Dezember geborene und ausscheidende Arbeitnehmer diese in voller Höhe bekämen. Die Norm verfolge nicht durchgängig das Ziel eines Anreizes zu künftiger Betriebstreue. Ohne Sachgrund differenziere § 20 Abs. 6 TVöD auch zwischen Altersteilzeit und Erreichen der Altersgrenze.
Demgegenüber ist die Beklagte der Ansicht, das Alter stelle bei § 20 Abs. 1 TVöD kein Differenzierungskriterium dar. Eine eventuelle mittelbare Beeinträchtigung sei durch die Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien gedeckt. Die Stichtagsregelung erstrebe auch, künftige Betriebstreue der Arbeitnehmer zu belohnen. Hierbei handle es sich um ein zulässiges Differenzierungskriterium.
Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 10. März 2011 (Bl. 65 ff. d. A.) die Klage vollumfänglich abgewiesen. Wegen des weitergehenden unstreitigen und streitigen Vortrags, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen, wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, § 20 Abs. 1 TVöD gewähre nach seinem Wortlaut den begehrten Anspruch nicht, da das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 33 Abs. 1 lit. a TVöD mit Ablauf des 31. Okt. 2009 geendet habe. Die Zahlung könne aber auch nicht als Schadenersatzanspruch wegen einer altersdiskriminierenden Regelung in dieser Norm verlangt werden. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters sei in § 20 Abs. 1 TVöD nicht zu erkennen. Aber auch eine mittelbare Benachteiligung sei nicht gegeben. Jedenfalls verfolgte die Stichtagsregelung ein rechtmäßiges Ziel, nämlich das der Honorierung der Betriebstreue. Dieses stelle in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein anerkanntes Differenzierungsmerkmal dar. Diese Regelung sei angemessen und erforderlich. Die Gesamtabwägung lasse erkennen, dass § 20 TVöD den primären Zielen des europarechtlichen Diskriminierungsverbots nicht zuwiderlaufe. Die Regelung führe nicht zum Ausschluss älterer Arbeitnehmer vom Arbeitsmarkt und trage auch nicht zur Verschlechterung ihrer beruflichen Chancen bei. Zudem scheitere ein Schadenersatzanspruch an § 15 Abs. 3 AGG, da die Beklagte jedenfalls bei der Anwendung der kollektiven Norm weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt habe. Ein Schadenersatzanspruch nach § 280 BGB i.V.m. dem Gleichbehandlungsgrundsatz sei mangels ein...