Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsvereinbarung, normative Wirkung. Normative Wirkung. Betriebsvereinbarung. Betriebsvereinbarungsbündel. Betriebsvereinbarung, Abschluss durch Vertreter ohne Vertretungsmacht. Betriebsvereinbarung, Umdeutung in Gesamtzusage. culpa in contrahendo. Rechtsscheinhaftung. Gemeinschaftsbetrieb. Gesamtschuldnerische Arbeitgeberhaftung im Gemeinschaftsbetrieb
Leitsatz (amtlich)
1. Kollektivvereinbarungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz können auf Betriebsebene mit unmittelbarer und zwingender Wirkung für und gegen die Arbeitnehmer eines Betriebs nur zwischen dem für diesen Betrieb gebildeten Betriebsrat und dem Inhaber dieses Betriebs als Arbeitgeber geschlossen werden.
2. Mehrere Unternehmen bzw. Arbeitgeber eines Konzerns können mit mehreren Betriebsräten, die in Betrieben der Konzernunternehmen gebildet sind, gleichlautende, in einer einheitlichen Urkunde zusammengefasste und von den Vertretern der jeweiligen beteiligten Betriebsräte unterzeichnete Betriebsvereinbarungen schließen. Diese Betriebsvereinbarungen wirken gem. § 77 Abs.4 Satz 1 BetrVG normativ in den jeweiligen Betrieben, deren Betriebsparteien die Urkunde unterzeichnet haben.
3. Eine solches „Betriebsvereinbarungsbündel” kann auf der Arbeitgeberseite von Organmitgliedern der Konzernobergesellschaft für diese und zugleich in Vollmacht für die Tochtergesellschaften unterzeichnet werden.
4. § 77 BetrVG schließt im Falle des Scheiterns des Zustandekommens einer Betriebsvereinbarung wegen fehlender Vetrtetungsmacht der auf der Arbeitgeberseite handelnden Personen eine Haftung eines dritten Unternehmens gegenüber den Arbeitnehmern des Betriebs gem. § 179 Abs.1 BGB auf Erfüllung oder Schadenersatz aus. Dies gilt entsprechend für eine Haftung des dritten Unternehmens wegen Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c.) und aus Rechtsscheinsgrundsätzen.
5. Zur Umdeutung einer Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage.
Normenkette
BetrVG §§ 77, 1; BGB §§ 179, 427
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 07.12.2005; Aktenzeichen 6 Ca 4298/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen dasEndurteil desArbeitsgerichts München vom07.12.2005 – 6 Ca 4298/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 38.510,83 EUR.
Der Kläger war seit 01.01.2000 zunächst bei der „P. GmbH”, der Muttergesellschaft der „d. GmbH”, seit 06.12.2001 bei der „K. GmbH” und seit Anfang 2003 bei der d. GmbH als journalistischer Mitarbeiter zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 4.650,00 EUR beschäftigt. Die d. GmbH, die bis 1998 im Eigentum eines Unternehmers stand und im Jahr 1992 mit der ehemaligen Nachrichtenagentur der D. – fusionierte, wurde im Dezember 1998 an die P.-Gruppe veräußert, die damals zum Medienkonzern von L. gehörte.
Im Zuge der Verschmelzung der P. AG und der S. GmbH zur P. AG im November 2000, die zu mehreren Umzügen von Betrieben und Betriebsteilen führte, wurde unter dem 07.12.2000 eine „Betriebsvereinbarung zwischen der P. AG und deren Tochterunternehmen und dem Betriebsräten der P. AG und deren Tochterunternehmen anlässlich der Durchführung der Betriebsänderungen” abgeschlossen. Rubrum, Präambel und § 1 Nr. 1.1 und 1.2 dieser Betriebsvereinbarung lauten:
„Sozialplan
der
P. AG, …, und deren Tochtergesellschaften, sämtlich vertreten durch den Vorstand der P. AG
– nachstehend Unternehmen genannt –
und
den Betriebsräten der P. AG und deren Tochtergesellschaften, vertreten durch die Betriebsratsvorsitzenden
– nachstehend Betriebsräte genannt –
Präambel
Die Betriebsparteien erkennen die Gründung der Senderfamilie durch die Verschmelzung der P. AG mit der S. GmbH zur P. AG als einen strategisch und wirtschaftlich sinnvollen Schritt zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem komplexen und hochkompetitiven Medienmarkt an. Die P. AG will sich noch stärker als bisher als moderner, attraktiver Arbeitgeber am Arbeitsmarkt positionieren.
Vor dem Hintergrund schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen den nachfolgenden Sozialplan, der evt. Wirtschaftliche Nachteile betroffener Arbeitnehmer/innen im Rahmen der Restrukturierungen oder durchzuführender Umzüge ausgleicht.
§ 1 Geltungsbereich
1.1. Der Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer/innen des Unternehmens, die während der Laufzeit dieses Sozialplans in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen stehen und deren Arbeitsplatz im Rahmen einer betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz)
- an einen anderen Standort verlagert wird oder
- deren Arbeitsplatz unmittelbar oder zu einem späteren Zeitpunkt wegfällt.
Das Gleiche gilt für die Arbeitnehmer/innen, die im Rahmen einer betriebsändernden
Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG andere wirtschaftliche Nachteile durch die Verschmelzung des Unternehmens erleiden.
1.2 Der Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitne...