Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussonderungsrecht des Arbeitnehmers bei Insolvenz des Arbeitsgebers bezüglich einer Lebensversicherung mit widerruflichem Bezugsrecht
Leitsatz (amtlich)
Solange dem Arbeitnehmer lediglich ein widerrufliches Bezugsrecht bezüglich einer vom Arbeitgeber zu seinem Gunsten abgeschlossenen Lebensversicherung zusteht, erwirbt der Arbeitnehmer im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers kein Aussonderungsrecht.
Normenkette
InsO § 47
Verfahrensgang
ArbG Rosenheim (Urteil vom 03.08.2006; Aktenzeichen 4 Ca 1375/04) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 3. August 2006, Az.: 4 Ca 1375/04 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über ein Aussonderungsrecht des Klägers nach der Insolvenzordnung (InsO).
Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der am 19.10.1942 geborene Kläger war bei der Firma N. GmbH & Co. V. KG vom 01.01.1961 bis zum 31.12.1991 als Arbeitnehmer beschäftigt.
Die Firma N. schloss mit Wirkung zum 01.01.1992 mit der W. AG einen Lebensversicherungsvertrag. Für diese Versicherung gelten die vom Kläger vorgelegten „Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung” (ALB, vgl. Bl. 8/9/16 d.A.).
Laut Versicherungsschein (Bl. 9 d.A.) ist Versicherungsnehmer die Firma N. und die versicherte Person der Kläger. Der Original-Versicherungsschein wurde unstreitig von der Firma N. an den Kläger ausgehändigt (Bl. 2 d.A.).
Der Abschluss der Lebensversicherung beruht auf einem vom Kläger vorgelegten und nicht unterschriebenen „Auflösungs- und Abfindungsvertrag” vom 31.12.1991 (vgl. Bl. 6 d.A.). Zwischen den Parteien ist es strittig, ob dieser „Auflösungs- und Abfindungsvertrag” wirksam zwischen dem Kläger und der Firma N. abgeschlossen wurde (vgl. Bl. 87/111/119 d.A.).
Mit Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim – Insolvenzgericht – vom 01.03.2002 wurde über das Vermögen der Firma N. das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt (vgl. Bl. 92/93 d.A.).
Der Beklagte widerrief mit Schreiben vom 14.10.2003 gegenüber der W. AG die Bezugsberechtigung des Klägers aus der geschlossenen Versicherung. Die W. AG zahlte darauf EURO 32.900,14 auf ein vom Beklagten eingerichtetes Insolvenzhinterlegungskonto (vgl. Bl. 138 d.A.).
Mit seiner beim Arbeitsgericht am 19. Juli 2004 eingegangenen Klage vom 14. Juli 2004 hat der Kläger unter Berücksichtigung späterer Klageänderung und soweit in der Berufungsinstanz noch rechtshängig die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 32.900,14 EUR begehrt.
Zur Begründung hat er vorgetragen, ihm stehe ein Aussonderungsrecht nach § 47 oder § 48 InsO zu. Durch die Übergabe des Versicherungsscheins an ihn habe die Firma N. zu erkennen gegeben, dass sie die Möglichkeit einer Änderung des Bezugsberechtigten aufgeben und die Versicherung nicht zu ihrem Vermögen zugehörig betrachtet wissen wolle. Zumindest habe die Firma N. die Kapital-Lebensversicherung treuhänderisch gehalten, so dass die Voraussetzungen für eine Aussonderungsbefugnis erfüllt seien. § 13 ALB verhindere nicht den Verzicht auf Widerruf der Bezugsberechtigung gegenüber einem Dritten. Vorliegend sei mit Übergabe der Versicherungspolice vereinbart worden, dass die Bezugsberechtigung nicht mehr widerruflich sein solle (vgl. B. 112/142 d.A.).
Der Kläger hat, soweit in der Berufungsinstanz noch anhängig, in erster Instanz beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 32.900,14 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 14.1.2004 zu bezahlen.
Der Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe kein Aussonderungsrecht. Mit Abschluss des Lebensversicherungsvertrags habe er nur ein widerrufliches Bezugsrecht erworben. Nach dem ausgeübten Widerruf habe der Kläger bezüglich der Lebensversicherung nur noch Ansprüche als Insolvenzgläubiger.
Das Arbeitsgericht Rosenheim hat die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe bezüglich der für ihn abgeschlossenen Lebensversicherung kein Aussonderungsrecht gemäß § 47 Insolvenzordnung. Er habe nämlich kein persönliches Recht bei Abschluss des Versicherungsvertrages erworben, weil sein Bezugsrecht lediglich widerruflich gewesen sei.
Unerheblich sei, dass der Kläger im Besitz des Original-Versicherungsscheins sei.
Dies betreffe lediglich die Legitimation des Bezugsberechtigten bei Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer. Die Aushändigung des Original-Versicherungsscheins habe auch zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin kein Treuhandverhältnis besonderer Art geschaffen, das ein Aussonderungsrecht des Klägers begründen könne. Selbst wenn der Kläger mit der Insolvenzschuldnerin vereinbart haben sollte, dass die Bezugsberechtigung nunmehr nicht mehr widerruflich sein sollte, hätte dies allein die aus dem Versicherungsvertrag entstandenen Rechte noch nicht betroffen. Vielmehr wäre erforderlich gewesen, dass die Insolvenz...