Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung. Eigenständige Regelung des Mehrurlaubs. Tariflicher Mehrurlaub. Abgeltung bei Krankheit
Leitsatz (redaktionell)
Der TV-L enthält keine eigenständige, von der Regelung des Bundesurlaubsgesetzes abgekoppelte Regelung zur Abgeltung des „übergesetzlichen”, tariflichen Mehrurlaubs.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3-4
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 11.02.2010; Aktenzeichen 3 Ca 10454/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers gegen das Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 11.02.2010 – 3 Ca 10454/09 – geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 3.118,52 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 8.033,71 für die Zeit vom 01.04.2009 bis 30.07.2009, aus EUR 3.264,94 für die Zeit vom 31.07.2009 bis 26.11.2009 und aus EUR 3.118,52 seit 27.11.2009 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Abgeltung übergesetzlichen tariflichen Urlaubs, den der Kläger wegen dauerhafter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr einbringen konnte.
Der Kläger war vom 01.01.1976 bis zum 31.03.2009 beim Beklagten der U. B-Stadt als technischer Angestellter beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 02.01.1976 bestimmt in § 2, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundes-Angestellten-Tarifvertrages vom 23.02.1961, den zur Ergänzung sowie Änderung abgeschlossenen bzw. künftig abzuschließenden Tarifverträgen und der Sonderregelung zum BAT bemisst.
Der Kläger war vom 23.10.2007 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.03.2009 durchgehend arbeitsunfähig und krankgeschrieben.
Nach Ablösung des Bundes-Angestellten-Tarifvertrages durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) fand seit 01.11.2006 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
Der Kläger hat mit Klage vom 13.07.2009 Abgeltung von 59 Urlaubstagen – 15 Tage aus dem Jahr 2007, 35 Tage aus dem Jahr 2008 und (aufgerundet) neun Tage aus dem Jahr 2009 – in Höhe von insgesamt 8.088,16 EUR geltend gemacht, wobei es sich um gesetzlichen Mindesturlaub nach § 3 BUrlG, um Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen gem. § 125 SGB IX und um übergesetzlichen tariflichen Urlaub nach § 26 Abs. 1 TV-L handelte. Im Laufe des Rechtsstreits galt der Beklagte den noch nicht in Natur eingebrachten gesetzlichen Urlaub sowie den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen für die Jahre 2007, 2008 und 2009 ab und zahlte auf diese Ansprüche insgesamt 4.914,89 EUR brutto an den Kläger aus. Die Parteien haben insoweit im ersten Rechtszug übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben und erstinstanzlich zuletzt nur noch um die Abgeltung übergesetzlichen tariflichen Urlaubs nach § 26 TV-L im Umfang von jeweils zehn Tagen für die Jahre 2007 und 2008 sowie drei Tagen für das Jahr 2009 gestritten, wobei sie übereinstimmend von einer Abgeltung je Urlaubstag in Höhe von 135,59 EUR brutto ausgehen.
Der Kläger hat, Bezug nehmend auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaub bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit (EuGH 20.01.2009 – C-350/06 und C-520/06 – „Schultz-Hoff, Stringer” u. a., im Folgenden: „Schultz-Hoff”; BAG 24.03.2009 – 9 AZR 983/07), vorgebracht, er könne auch Abgeltung des übergesetzlichen tariflichen Urlaubs verlangen, weil § 26 TV-L nicht zwischen dem gesetzlichen und dem tariflichen Urlaub differenziere. Die Tarifvertragsparteien seien bei Schaffung des § 26 TV-L übereinstimmend davon ausgegangen, dass wegen Arbeitsunfähigkeit nicht genommener Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr eingebracht werden könne, verfalle, und zwar sowohl der gesetzliche Mindesturlaub als auch der tarifvertragliche Mehranspruch, und dass demzufolge kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestehe. Dies habe bei Schaffung des TV-L der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprochen. Somit hätten die Tarifvertragsparteien keinen Anlass für eine ausdrückliche Regelung des Verfalls gesehen. Bestätigt werde dies auch durch die tarifliche Vorgeschichte. Die Vorgängervorschrift des § 26 TV-L – § 51 BAT – habe bis 1986 ausdrücklich geregelt, dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch dann bestehe, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden könne. Darauf hätten die Tarifvertragsparteien durch den 55. Änderungsvertrag zum BAT § 51 BAT mit Wirkung zum 01.01.1987 dahingehend geändert, dass nunmehr hinsichtlich der Abgeltung von Urlaub keine tariflichen Besonderheiten mehr gegolten hätten, sondern die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze zur Anwendung gekommen seien, wonach der gesamte Urlaubsanspruch, der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen...