rechtskräftig
Leitsatz (amtlich)
1. Eine in einem Prozeßvergleich getroffene Vereinbarung, der zufolge sich der Arbeitgeber verpflichtet, Lohnfortzahlung zu leisten, wenn ärztlicherseits das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Fortsetzungskrankheit bestätigt, beinhaltet keinen zulässigen Tatsachenvergleich, sondern eine – im Arbeitsgerichtsverfahren unzulässige – Schiedsgutachtenabrede, wenn die Parteien die Zahlungspflicht vom Inhalt des Gutachtens abhängig machen wollten.
2. Ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen können, obwohl ihnen an sich nur der eingeschränkte Beweiswert von Privaturkunden (§ 416 ZPO) zukommt, nach der Lebenserfahrung den Beweis der Arbeitsunfähigkeit erbringen, wenn sie ersichtlich von einem richtigen Begriff der Unfähigkeit, aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung die konkrete, vertraglich geschuldete Arbeit zu erbringen ausgehen und ihr Beweiswert nicht durch sonstige Umstände erschüttert wird.
3. Auf seine angenommenen Lebenserfahrungen soll ein Gericht sein Urteil nur stützen, wenn es mit dem zu beurteilenden Lebensachverhalt zuverlässig vertraut ist. Ob die Annahme, ausländischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kommt der gleiche Beweiswert wie inländischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu, durch die allgemeine Lebenserfahrung hinlänglich gesichert erscheint, erscheint jedenfalls für im Orient ausgestellte ärztliche Atteste nicht zweifelsfrei.
4. Der Beweiswert einer ärztlichen Bescheinigung über eine Erkrankung eines ausländischen Mitarbeiters in seinem Heimatland im Anschluß an einen Heimaturlaub erscheint jedenfalls dann zweifelhaft, wenn der ausländische Mitarbeiter über mehrere Jahre hinweg jeweils im Anschluß an den Jahresurlaub in seiner Heimat erkrankte und die bestätigte Diagnose die aus ihr gezogene Folgerung einer 4-wöchigen, mit Bettruhe verbundenen Arbeitsunfähigkeit nur in außergewöhnlichen Fällen rechtfertigt.
5. Durch mehrfache Erkrankung in den jeweiligen Heimaturlauben begründete Bedenken gegen den Wahrheitsgehalt der ärztlich attestierten Krankheitsfälle können jedoch durch andere Umstände wie eine anschließende stationäre Behandlungsbedürftigkeit im Inland im Einzelfall ausgeräumt werden.
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 19.05.1988; Aktenzeichen 30 Ca 1674/88) |
Tenor
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München – AZ: 30 Ca 1674/88 – vom 19. Mai 1988 ist wirkungslos, soweit der Kläger in Höhe eines Teilbetrags von DM 932,80 seine Klage zurückgenommen hat; im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte die Kosten der Beweisaufnahme am 29. November 1988 und 4/5 der übrigen Kosten beider Rechtszüge zu tragen, die übrigen Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.
Tatbestand
Der Rechtsstreit soll – soweit er im Berufungsrechtszug nach teilweiser Klagerücknahme noch zur Entscheidung steht – klären, ob dem Kläger und jetzigen Berufungsbeklagten Lohnfortzahlungsansprüche für die Zeit vom 20.8. bis 15.9.1986 zustehen, in der dem Kläger während seines Heimaturlaubs in ärztlicherseits Arbeitsunfähigkeit attestiert war.
Der seit ca. 16 Jahren bei der Beklagten als beschäftigte Kläger hatte bis 26.8.1986 Urlaub bewilligt erhalten und hatte der Beklagten mit Eingang am 25.8.1986 eine ärztliche Bescheinigung eines Arztes in vom 20.8.1986 (Bl. 27 d.A.) zugeleitet, derzufolge der am 6.6.1938 geborene Kläger sich wegen Schmerzen im LWS-Bereich zur Untersuchung eingefunden habe, dabei starke Druck- und Bewegungsschmerzen zur Diagnose auf ein LWS-Syndrom und zur Verordnung von Bettruhe für die Dauer von 4 Wochen = 16.9.1986 geführt haben.
Dem Kläger war bereits 1981 im Anschluß an einen bis 11.8.1981 bewilligten Urlaub ärztlicherseits Arbeitsunfähigkeit ab 10.8. bis 31.8.1981 bestätigt worden, ebenso 1983 für die an den Urlaub anschließende Zeit vom 13.8. bis 6.9.1983, im Folgejahr 1984 im Anschluß an den bis 22.8.1984 bewilligten Urlaub für die Zeit vom 24.8.1984 bis 30.9.1984.
Die vertrauensärztliche Dienststelle der LVA, der die Beklagte das Attest des Arztes vorgelegt hatte, äußerte sich unter dem 2.10.1986 dahin, daß der bescheinigte Befund Behandlungsbedürftigkeit, nicht aber Arbeitsunfähigkeit bedinge.
Der Kläger begab sich nach Rückkehr in hausärztliche Behandlung. Der behandelnde Arzt bescheinigte als Erstbescheinigung dem Kläger am 18.9.1986 (Bl. 17 d.A.) Arbeitsunfähigkeit vom 16.9.1986 bis voraussichtlich 23.9.1986. Gleichzeitig verordnete er dem Kläger 5 Massagen und Fangobehandlung wegen Ischiolumbalsyndrom.
Die Beklagte bestritt die Arbeitsunfähigkeit des Klägers während der Urlaubszeit und behielt vom Monatslohn die entsprechenden Bezüge ein.
In der vom Kläger hiergegen angestrengten Klage 28 Ca 2161/87 schlossen die Parteien am 23.3.1987 nachstehenden Prozeßvergleich:
- Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger den Betrag, den sie vom Gehalt abgezogen hat für die Zeit seiner Erkrankung vom 20.08.1986 bis einschließlich 15.09.1986, zuzahlen, sobald der Kläger von seinem...