Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerstreitende Interessen. Anwaltliche Vertretung im Zustimmungsersetzungsverfahren. Vertretung von Betriebsrat und Betriebsratsmitglied

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anwalt, der im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG den Betriebsrat und das beteiligte Betriebsratsmitglied vertritt, verstößt, nicht gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen.

 

Normenkette

BetrVG §§ 40, 103; BGB § 134; BRAO § 43a Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Beschluss vom 21.11.2002; Aktenzeichen 5 BV 5/02)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 21.11.2002, 5 BV 5/02, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

1.

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Er begehrt vom Arbeitgeber Zahlung der Anwaltskosten für die Vertretung des Betriebsrates in einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG. Der Antragsteller hatte in dem Beschlussverfahren auch das beteiligte Betriebsratsmitglied vertreten. Der Arbeitgeber macht Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages geltend wegen Vertretung widerstreitender Interessen, §§ 134 BGB, 43 a Abs. 4 BRAO.

Der Arbeitgeber beantragte im November 1998 beim Betriebsrat Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebs-ratsmitgliedes W.. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung. In dem über 3 Instanzen geführten Beschlussverfahren auf Ersetzung der Zustimmung (Arbeitsgericht Oldenburg, 1 BV 18/98; LAG Niedersachsen 12 TaBV 55/99; BAG 2 ABN 37/01) vertrat der Antragsteller sowohl den Betriebsrat als auch das beteiligte Betriebsratsmitglied. Das Arbeitsgericht verweigerte die Ersetzung der Zustimmung, durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 13.02.2001 wurde die Zustimmung ersetzt mit der Begründung, die außerordentliche Kündigung sei gerechtfertigt, weil das beteiligte Betriebsratsmitglied in einem Kündigungsschutzprozess zu Lasten des Arbeitgebers eine uneidliche Falschaussage gemacht habe. Die nachfolgende Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 06.12.2001 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Arbeitgeber hat die Verfahrenskosten erster Instanz gezahlt, er verweigert Zahlung der Verfahrenskosten für die zweite und dritte Instanz.

Der Betriebsrat hat unter dem 01.08.2002 seinen Freistellungsanspruch an den Antragsteller abgetreten.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller die entstandenen Kosten aus Anlass der Beschlussverfahren 2 ABN 37/01 beim Bundesarbeitsgericht Erfurt und 12 TaBV 55/99 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen in Höhe von insgesamt 2.944,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (25.09.2002) zu erstatten.

Die Antragsgegnerin (Arbeitgeber) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat geltend gemacht unter Berufung auf eine Entscheidung des LAG Köln, mit Vertretung von Betriebsrat und beteiligtem Betriebsratsmitglied habe der Antragsteller gegen das Verbot der Vertretung bei wider-streitenden Interessen (§ 43 a Abs. 4 BRAO) verstoßen. Der Geschäfts-besorgungsvertrag sei deshalb unwirksam und der Anspruch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat eine Verpflichtung entsprechend dem Antrag ausgesprochen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.

Mit Beschwerde macht der Arbeitgeber geltend, als Vertreter des beteiligten Betriebsratsmitgliedes habe ein Rechtsanwalt im Verfahren nach § 103 BetrVG allein dessen Individualinteressen zu beachten und auf betriebliche Belange keinerlei Rücksicht zu nehmen. Der vom Betriebsrat mandatierte Anwalt sei dagegen stets auch gehalten, betriebliche Belange mit zu berücksichtigen. Der potenzielle Interessenkonflikt sei damit offenkundig. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung.

Die Antragsgegnerin (Arbeitgeber) beantragt:

  1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg zum AZ: 5 BV 5/02 wird aufgehoben.
  2. Der Antrag wird abgewiesen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt nach Maßgabe der Beschwerdeerwiderung den erstinstanzlichen Beschluss.

 

Entscheidungsgründe

II.

Nach § 40 BetrVG hatte der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung von den Anwaltskosten, die im Verfahren nach

§ 103 BetrVG entstanden sind. Dieser Anspruch ist durch Abtretung auf den Antragsteller übergegangen, der nunmehr Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Kosten verlangen kann.

Zwar hat das beteiligte Betriebsratsmitglied bei einem negativ verlaufenden Beschlussverfahren nach § 103 BetrVG die Kosten des von ihm beauftragten Anwalts selbst zu tragen. Nach § 6 BRAGO erhält der beauftragte Anwalt bei mehreren Auftraggebern die Gebühren aber nur einmal zuzüglich einer erhöhten Prozessgebühr. Aus § 6 Abs. 2 BRAGO folgt dann, dass jeder Auftraggeber die vollen Gebühren ohne Erhöhungsbetrag schuldet. Mehrere Auftraggeber sind damit Gesamtschuldner. Weil das beteiligte Betriebsratsmitglied bisher Anwalts...

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