Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Eingruppierung nach den Entgeltordnungen verschiedener Tarifverträge. Zustimmungsersetzungsantrag der tarifgebundenen Arbeitgeberin bei unbegründetem Widerspruch des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Ist der Arbeitgeber tarifgebunden und wendet die Entgeltordnungen der kraft Tarifbindung für ihn geltenden Tarifverträge an, kann der Betriebsrat der beantragten Zustimmung zur Eingruppierung nicht mit der Begründung widersprechen, der Arbeitgeber habe sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht beachtet.
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist nicht gegeben. Für das Eingreifen des Tarifvorbehaltes gemäß § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG ist die Tarifbindung des Arbeitgebers ausreichend. Das gilt auch dann, wenn ein anderer Tarifvertrag, der eine andere Entgeltordnung enthält, gemäß § 4 Abs. 5 TVG kraft Nachwirkung auf Arbeitsverhältnisse des Betriebes Anwendung findet.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1; TVG §§ 3, 4 Abs. 5; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 27.03.2015; Aktenzeichen 13 BV 3/14) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 27.03.2015 - 13 BV 3/14 - teilweise unter Zurückweisung im Übrigen abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1. Die Zustimmung des Beschwerdegegners zur Eingruppierung von
a) Frau A., in die Tarifgruppe TG 4, Berufsjahresgruppe B, 2. Berufsjahr (Stand 2014),
b) Frau B., in die Tarifgruppe TG 4, Berufsjahresgruppe B, 10. Berufsjahr,
c) Frau C., in die Tarifgruppe TG 5, Berufsjahresgruppe B, 4. Berufsjahr (Stand 2014),
d) Frau D., in die Tarifgruppe TG 4, Berufsjahresgruppe B, 10. Berufsjahr
und zur Umgruppierung von
e) Frau E., von der Tarifgruppe TG 4, Berufsjahresgruppe B, 4. Berufsjahr (Stand 2013) in die Tarifgruppe TG 5, Berufsjahresgruppe B, 5. Berufsjahr (Stand 2014)
gemäß den Vorschriften des § 6 Manteltarifvertrag und des § 3 Vergütungstarifvertrag für die F. und G.-Banken sowie die H.-Banken in der Fassung vom 29.10.2014, geschlossen zwischen dem Arbeitgeberverband der I. und J.-Banken e. V. und den Gewerkschaften K. und L., wird ersetzt.
2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
3. Der Widerantrag des Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens sind die Eingruppierung mehrerer Arbeitnehmer vor dem Hintergrund, dass die Entgeltordnungen verschiedener Tarifverträge in Betracht kommen, und ein vom Betriebsrat reklamiertes Recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei der Gestaltung der Vergütungsordnung.
Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist eine Kreditgenossenschaft, die gegenwärtig ca. 1.000 Arbeitnehmer beschäftigt und Mitglied im Arbeitgeberverband der I. und J.-Banken e. V ist. Die M. schloss seit Anfang der 60er Jahre rechtlich getrennte, aber inhaltlich identische Tarifverträge mit den Gewerkschaften K., L. und ver.di (bzw. deren Rechtsvorgängerin, der N. und der O.) ab. Die letzten gleichlautenden Tarifverträge wurden mit allen drei Gewerkschaften im Jahre 2004 vereinbart; es war eine Laufzeit bis 2006 vereinbart. Nachdem alle drei Gewerkschaften den Gehaltstarifvertrag von 2004 zum Ende der Laufzeit gekündigt hatten, kam es 2008 nur noch mit den Gewerkschaften K. und L. zu einer Tarifeinigung und am 31.10.2012 zum Abschluss eines Mantel- und eines Vergütungstarifvertrages für die F. und G.-Banken sowie die H.-Banken. Mit ver.di scheiterten die Tarifverhandlungen. Im November 2012 kündigte die Arbeitgeberseite alle noch bestehenden ver.di - Tarifverträge.
Gegenstand der Tarifabschlüsse 2008 bis 2012 mit der K. und der L. waren neben den linearen Gehaltserhöhungen strukturelle Änderungen in der Vergütungsordnung. Für einfache, hochstandardisierte Tätigkeiten in der Marktfolge wurde die Anzahl der möglichen Berufsjahre beschränkt (Berufsjahresgruppe A). Für Neueinstellungen in den Tarifgruppen 1 bis 5, die in diesem Bereich eingesetzt werden, ergibt sich daraus ein früher endender Aufstieg innerhalb der Berufsgruppen. Zuvor hatte sich die Eingruppierung nach den gleichlautenden Tarifverträgen nicht allein nach tätigkeitsbezogenen Tarifgruppen, sondern gemäß § 8 MTV iVm § 2 GTV auch nach der Einstufung in Berufsjahre gerichtet. Arbeitnehmer, die sich am 31.12.2010 in einem Arbeitsverhältnis befanden, genießen nach Teil II, § 3 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 DBV/DHV-VTV Bestandsschutz. Sie sind von den Änderungen nicht betroffen.
Die tarifgebundene Arbeitgeberin wendet derzeit auf alle Arbeitsverhältnisse die jeweils monetär günstigeren Tarifverträge an; das sind aufgrund der dynamischen Entwicklungen der Tabellengehälter die Tarifverträge mit der K. und der L.. Der Betriebsrat hat diese Handhabung bei anstehenden Eingruppierungen für unzulässig gehalten, weil dadurch die im Betrieb geltende Entgeltordnung verä...