Entscheidungsstichwort (Thema)

Einsetzung Einigungsstelle. offensichtliche Unzuständigkeit, Betriebsänderung, Sozialplan. Schließung von Filialen als Betriebsänderung. Einigungsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einsetzung einer Einigungsstelle ist im Blick auf den Abschluss eines Sozialplans nach Betriebsänderung nicht wegen offensichtlicher Unzuständigkeit unzulässig, wenn es innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in einem Betriebsratsbezirk zur verstärkten Schließung kleinerer Filialen kommt, der den Schluss auf eine einheitliche unternehmerische Entscheidung zulässt. Dabei kann es sich auch bei nur geringem Personalabbau um eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation (§ 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG) oder eine sonstige Betriebsänderung außerhalb des Katalogs in Satz 3 des § 111 BetrVG handeln (im Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg vom 19. August 2009 – 26 TaBV 1185/09 –).

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG §§ 111-112

 

Verfahrensgang

ArbG Emden (Beschluss vom 05.08.2009; Aktenzeichen 1 BV 6/09)

 

Tenor

Auf die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) wird – unter Zurückweisung der Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) – der Beschluss des Arbeitsgerichts Emden vom 5. August 2009 – 1 BV 6/09 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Richter am Arbeitsgericht Oldenburg, Michael Ferber, wird zum Einigungsstellenvorsitzenden einer Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand „Abschluss eines Sozialplans wegen der in den Jahren 2008, 2009 und 2010 erfolgten oder noch geplanten Schließungen von Verkaufsstellen im Bezirk 246, Bezirk A-Stadt”, bestellt.

Die Zahl der Beisitzer wird auf je zwei für die Beteiligten festgesetzt.

Die weitergehende Anschlussbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten im zweiten Rechtszug zuletzt noch darüber, ob eine Einigungsstelle zur Erstellung eines Sozialplans auf Grund der Schließungen mehrerer Verkaufsstellen im Bezirk 246 einzurichten und diese Einigungsstelle mit zwei oder drei Beisitzern auf jeder Seite zu besetzen ist.

Der beschwerdeführende Beteiligte zu 1) ist Betriebsrat für den Betriebsratsbezirk A-Stadt, der gemäß Zuordnungstarifvertrag aus ca. 40 Verkaufsstellen besteht. In den Verkaufsstellen sind in der Regel durchschnittlich zwei bis drei Verkaufskräfte und jeweils eine sogenannte Verkaufsstellenverwalterin beschäftigt. Während es in den Jahren 2004 bis 2007 zu einzelnen Verkaufsstellenschließungen kam, denen teilweise Neueröffnungen an anderer Stelle gegenüberstanden, kam es 2008 und 2009 in größerem Umfang zu Verkaufsstellenschließungen, ohne dass es zu Neueröffnungen von Verkaufsstellen kam. Anstelle dessen kam es zur Eröffnung von XL-Verkaufsstellen. Insoweit wird auf die im Anhörungstermin vom 26. November 2009 von der Betriebsratsvorsitzenden der Beteiligten zu 1) überreichte Liste Bezug genommen (Bl. 176/177 d. A.). Bei einem Mitarbeiterstamm von ca. 135 zu Beginn des Kalenderjahres 2009 sind nach den unbestrittenen Angaben der Arbeitgeberin im Zusammenhang mit der Schließung der Verkaufsstellen lediglich fünf Arbeitgeberkündigungen ausgesprochen worden.

Anhand des Prüfungsmaßstabs der „offensichtlichen Unzuständigkeit” streiten die Beteiligten nunmehr insbesondere darüber, ob ein unternehmerisches Konzept der ab 2008 verstärkten Schließung von Verkaufsstellen zu Grunde liegt – auch im Blick auf die ab diesem Zeitraum beginnende Eröffnung der sogenannten XL-Märkte – und ob die Voraussetzungen für eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung gegeben sind. Der ursprünglich vom Betriebsrat erhobene Anspruch, in der Einigungsstelle auch über einen Interessenausgleich zu verhandeln, wird nunmehr nicht weiter verfolgt, nach dem das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 5. Januar 2010 – 8 TaBV 4/09 – hierzu eine Einigungsstelle auf der Ebene des Gesamtbetriebsrates eingerichtet hat.

Mit Beschluss vom 5. August 2009 hat das Arbeitsgericht Emden eine offensichtliche Unständigkeit der beantragten Einigungsstelle verneint und den Richter am Arbeitsgericht Oldenburg Michael Ferber zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans wegen der Schließung von Verkaufsstellen im Bezirk 246 bestellt. Außerdem hat es die Anzahl der Beisitzer pro Seite mit je zwei festgesetzt und insoweit den weitergehenden Antrag der Betriebsratsseite auf die Bestellung von jeweils drei Beisitzern zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass eine nach § 111 S. 3 Ziff. 1 BetrVG denkbare Betriebsänderung in Form einer Stilllegung bzw. Einschränkung angesichts von nur fünf Arbeitnehmerkündigungen im Jahr 2008 zwar fraglich sei, sobald man allein auf die Zahl des § 17 KSchG abstelle. Eine Stilllegung von „wesentlichen Betriebsteilen” könne sich aber unabhängig von den betroffenen Mitarbeiterzahlen aus einer qualitativen Betrachtung heraus ergeben, wobei zu bedenken sei, dass im Kalenderjahr 2009 weitere fünf Verkaufsstellen g...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge