Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Eingruppierung bei gemischten Tätigkeiten im Einzelhandel. Abgrenzung zwischen gewerblicher Tätigkeit und Angestelltentätigkeit bei Verkaufs- und Kassiertätigkeiten sowie in der Bestellabwicklung
Leitsatz (amtlich)
1. Verrichtet der Arbeitnehmer teils die Tätigkeit von gewerblichen Arbeitnehmern und teils die Tätigkeit von Angestellten, so ist für die Einordnung der gemischten Tätigkeit entscheidend, welche der Tätigkeiten dem Arbeitsverhältnis in seiner Gesamtheit das Gepräge gibt. Dabei kommt es nicht auf den Zeitaufwand der Einzelarbeiten, sondern auf eine umfassende Betrachtung an.
2. Geben Verkaufs- und Kassiertätigkeiten oder auch allgemeine Aufgaben der Bestellabwicklung, die grundsätzlich eher als Angestelltentätigkeiten angesehen werden, der gesamten tatsächlich verrichteten Tätigkeit nicht das Gepräge, sondern ist die Tätigkeit vorwiegend körperlich ausgestaltet, ist diese als gewerbliche einzustufen.
Normenkette
MTV Einzelhandel § 6; BetrVG § 99 Abs. 1, 2 Nr. 1; TV-GL Einzelhandel Nds. § 3 LG II; TV-GL Einzelhandel Nds. § 5 LG II
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 23.01.2019; Aktenzeichen 1 BV 22/17) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 23.01.2019 - 1 BV 22/17 - wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten - soweit im Beschwerdeverfahren von Belang - um die Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung eines Arbeitnehmers.
Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein Einzelhandelsunternehmen mit Niederlassungen in ganz Deutschland. Auch am Standort A-Stadt betreibt sie ein Einrichtungshaus, in dem es einen sogenannten S-shop, ein Bistro sowie ein Kunden- und ein Mitarbeiterrestaurant gibt (sogenannter Bereich "Food"). Die Arbeitgeberin ist Mitglied im Handelsverband Niedersachsen-Bremen. Der Beteiligte zu 2) ist der für den Betrieb in A-Stadt gebildete Betriebsrat. Ihn bat die Arbeitgeberin mit betriebsüblichem Formular (Bl. 11 f. d. A.), welches am 23. November 2017 zuging, um Zustimmung zur unbefristeten Einstellung eines Arbeitnehmers in Vollzeit ab 1. Dezember 2017 für den Bereich "Food". Die Eingruppierung sollte (entsprechend bisheriger Handhabung) in die Lohngruppe II b) des Gehalts- und Lohntarifvertrages für den niedersächsischen Einzelhandel - Tarifvertrag zur Warenverräumung im Verkauf vom 2. August 2017 (im Folgenden: TV-GL) erfolgen. Das Formular wird verwendet, um die Zustimmung zur beabsichtigten Neueinstellung und zur Eingruppierung zu beantragen. Der Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin bereits seit dem 4. Mai 2012 im Bereich "Food" beschäftigt. Er hatte zuletzt einen bis zum 30. November 2017 befristeten Teilzeitvertrag mit monatlich 120 Stunden und wurde nach Lohngruppe II b) TV-GL vergütet. In der Zeit vom 1. Februar bis zum 31. August 2017 wurde er mit Zustimmung des Betriebsrats in Vollzeit mit monatlich 163 Stunden beschäftigt. Die neu zu besetzende Stelle beschrieb die Arbeitgeberin wie folgt:
"Du lässt den Gästen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Unsere Wurzeln liegen in S.. Das sieht man nicht nur im Einrichtungshaus, das schmeckt man auch im I. Restaurant. Du hast Appetit darauf, das I. Restaurant Konzept mit Leben zu füllen. Ganz klar, dass du deine Kunden mit einer großen Portion Gastfreundschaft bewirtest. Ob im Restaurant, S-shop, Bistro oder Mitarbeiterrestaurant: Du tust alles, damit sie sich rundum wohl fühlen. Egal wie stressig es hinter den Kulissen zugeht - du behältst immer den Überblick und hast jederzeit ein freundliches Lächeln für deine Gäste parat. Als Mitarbeiter im I. Food Service berichtest du an den Abteilungsleiter oder den Teamleiter Restaurant.
DEINE AUFGABE
* In deiner Hand liegt die Vorbereitung und Präsentation der Gerichte.
* Du bereitest kalte und warme Speisen vor und gibst das Essen aus.
* Du berechnest und kassierst die Gerichte.
* Du bist dafür verantwortlich, dass der Gastbereich immer sauber und aufgeräumt ist."
Mit Schreiben vom 27. November 2017 (Bl. 14 d. A.), welches der Arbeitgeberin am selben Tag zuging, stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten Einstellung, nicht aber der Eingruppierung in Lohngruppe II b) GL-TV zu. Einschlägig sei die Gehaltsgruppe II GL-TV. Der Arbeitnehmer arbeite an denselben Kassensystemen wie die Kassierer an den Hauptkassen; er müsse dieselben Arbeitsschritte ausüben und ein polizeiliches Führungszeugnis abgeben.
Mit ihrem am 1. Dezember 2017 bei Gericht eingegangenen, dem Betriebsrat am 8. Dezember 2017 zugegangenen Antrag hat die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung zu der von ihr beabsichtigten Eingruppierung begehrt. Den Antrag festzustellen, dass ein Mitbestimmungstatbestand nicht gegeben sei und die Eingruppierung keiner Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 BetrVG bedürfe, hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Die Entscheidung ist insoweit rechtskrä...