Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Zulassung Kündigungsschutzklage. Zurechnung des Verschuldens der Bevollmächtigten. Statthaftigkeit Rechtsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitnehmer muss sich im Rahmen des Verfahrens auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG das Verschulden seines Bevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
2. Die Zurechnung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem ein Bevollmächtigter mit Aufgaben im Rahmen der Prozessführung beauftragt, ihm also Prozessvollmacht erteilt worden ist, und er den Auftrag angenommen hat. Zu diesen Aufgaben gehört auch die Einreichung einer Klagschrift, durch die die Frist des § 4 KSchG gewahrt werden soll.
3. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 78 S. 1 ArbGG in Verbindung mit § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bei Zulassung durch das Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht auch im Verfahren der nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG statthaft (Abweichung von BAG, 20.08.2002, 2 AZB 16/02, AP Nr. 14 zu § 5 KSchG 1969.
Normenkette
KSchG § 5; ZPO § 85 Abs. 2; ArbGG § 78; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Hildesheim (Beschluss vom 21.06.2005; Aktenzeichen 1 Ca 210/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hildesheim – 1 Ca 210/05 – vom 21.06.2005 wird zurückgewiesen.
Gegen die Klägerin wird eine Gebühr von 40,– EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten im Zulassungsverfahren nach § 5 KSchG um die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.
Die Klägerin ist seit dem 01.08.1988 bei dem Beklagten beschäftigt. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.02.2005, das der Klägerin am Folgetag zuging. Am 01.03.2005 suchte die Klägerin das Rechtsanwaltsbüro Dr. S… und G… auf zu einem telefonisch vereinbarten Beratungsgespräch auf. Am Ende dieses Gespräches sagte Dr. S… zu, entsprechend dem von der Klägerin erteilten Klagauftrag Kündigungsschutzklage zu erheben. Mit Schreiben vom 21.03.2005, das ihr am nächsten Tag zuging, teilte Dr. S… der Klägerin mit, er habe mangels Erfolgsaussicht keine Kündigungsschutzklage erhoben.
Am 04.04.2005 erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21.06.2005 den Antrag auf nachträgliche Zulassung zurückgewiesen. Die Klägerin müsse sich das Verschulden ihres Bevollmächtigten zurechnen lassen.
Gegen diesen ihr am 27.06.2005 zugestellten Beschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer am 30.06.2005 eingelegten und begründeten sofortigen Beschwerde. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und den Rechtsstreit gemäß Beschluss vom 30.06.2005 dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Die gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 KSchG, § 78 ArbGG, §§ 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung den Antrag der Klägerin auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage gemäß § 5 KSchG zurückgewiesen. Die Klägerin muss sich das Verschulden ihres zunächst beauftragten Bevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Sie ist auf den Regress gegen ihren früheren Bevollmächtigten zu verweisen.
Die Frage der Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten im Fall der Versäumung der Klagfrist des § 4 KSchG im Verfahren nach § 5 KSchG ist in Rechtsprechung und Literatur heftig umstritten (Nachweise bei KR-Friedrich, 7. Aufl., 2004, § 5 KSchG, Rz. 69 b sowie APS-Ascheid, 2. Aufl., 2004, § 5 KSchG, Rz. 27). Die Kammer ist der Auffassung, dass eine Verschuldenszurechnung gemäß § 85 Abs. 2 ZPO erfolgen muss.
1. Die Bestimmung des § 85 Abs. 2 ZPO behandelt die Partei, die sich bei der Verfolgung ihrer Rechtsposition in einem gerichtlichen Verfahren durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt, in jeder Hinsicht so, als habe sie das Verfahren selbst betrieben. Die Einschaltung eines Vertreters zur gerichtlichen Durchsetzung eines Anspruches soll nicht dazu führen, dass der Verfahrensbeteiligte, der einem Bevollmächtigen die Verfahrenshandlungen überlässt, seiner Verantwortung für die Verfahrenshandlungen und ihre Rechtsfolgen bei einem Verschulden des Vertreters ledig wird. Insbesondere darf sich die Vertreterbestellung nicht zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten mit entgegengesetzter Interessenrichtung auswirken. Dessen Prozessrisiko darf durch die Bestellung eines Bevollmächtigten nicht vergrößert werden. Ein Beteiligter, der das Verfahren durch einen von ihm bevollmächtigten Vertreter betreiben lässt, soll bei der Versäumung einer Verfahrenshandlung verfahrensrechtlich nicht besser stehen als ein Beteiligter, der das Verfahren persönlich betreibt. Die Partei muss sich daher jedes Verschulden des von ihr eingeschalteten Vertreters bei der Prozessführung, also bei der verfahrensmäßigen Rechtsverfolgung oder Re...