Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltung des bürgerlichen Arbeitsrechts für Arbeitsverhältnisse mit öffentlichem Arbeitgeber. Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde im einstweiligen Verfügungsverfahren in Rechtswegbestimmungsangelegenheiten
Leitsatz (amtlich)
1. Für den Antrag eines Bewerbers auf vorläufige Untersagung, eine als Arbeitsverhältnis ausgeschriebene Stelle im öffentlichen Dienst mit einem anderen Bewerber zu besetzen, ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben. Es handelt sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.
2. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss, mit dem das Landesarbeitsgericht im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs entscheidet, ist nicht ausgeschlossen. Der Ausschluss der Rechtsbeschwerde im Eilverfahren bezieht sich nicht auf das vorgelagerte Rechtswegbestimmungsverfahren. Hierfür bedürfte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.
Leitsatz (redaktionell)
Ein Arbeitsverhältnis - auch dasjenige im öffentlichen Dienst - wird nicht maßgeblich durch staatliches Sonderrecht, sondern durch den zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag sowie die ergänzenden tariflichen Vorschriften beherrscht. Der öffentliche Arbeitgeber bedient sich insoweit der Privatautonomie mit der Folge, dass Arbeitsrecht anwendbar ist.
Normenkette
GVG § 17a; ArbGG § 2; VwGO § 40; ZPO §§ 542, 574; BGB § 611a; GG Art. 33
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 18.11.2020; Aktenzeichen 3 Ga 6/20 Ö) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 18. November 2020 - 3 Ga 6/20 Ö - abgeändert:
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für zulässig erklärt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das beklagte Land nach einem Gegenstandswert von 1.500,00 Euro zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller steht in einem Arbeitsverhältnis zum Antragsgegner. Er begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, es dem Antragsgegner bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, eine ausgeschriebene Stelle mit einem anderen Bewerber zu besetzen. Zuvor hatte er sich auf die vom Antragsgegner als Arbeitsverhältnis ausgeschriebene und mit der Entgeltgruppe 13 TV-L bewertete Stelle als Geschäftsführer für die Weiterbildungsakademie C. Executive School" beworben. Im Anschluss an die Durchführung von Auswahlgesprächen teilte ihm das Präsidium der Technischen Universität C. mit, nach Abschluss des Stellenbesetzungsverfahrens sei die Auswahl auf einen anderen Kandidaten gefallen.
Der Antragsgegner hat die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gerügt. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Braunschweig verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es handele sich um eine öffentlich-rechtliche und nicht um eine bürgerliche Streitigkeit. Streitentscheidende Norm sei Art. 33 Abs. 2 GG; sie sei dem öffentlichen Recht zuzuordnen, weil sie ausschließlich Träger der staatlichen Gewalt verpflichte. Das gelte unabhängig davon, in welcher Rechtsform das anschließende Beschäftigungsverhältnis ausgestaltet werde.
Gegen den ihm am 26. November 2020 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Antragsteller am 9. Dezember 2020 sofortige Beschwerde eingelegt. Diese führt aus: Auch wenn es sich bei Art. 33 Abs. 2 GG um eine öffentlich-rechtliche Norm handele, sei doch der einstweilige Rechtsschutz in Abhängigkeit vom Rechtsschutz in der Hauptsache ausgestaltet. Gehe es, wie vorliegend, um die Veränderung des Arbeitsverhältnisses durch Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, so liege eine Streitigkeit aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis im Sinne von "§ 2 Abs. 3 Buchst. a" (recte: § 2 Abs. 1 Ziff. 3 Buchst. a) ArbGG vor. Ebenso wenig wie bei der Anwendung anderer öffentlich-rechtlicher Bestimmungen etwa des Arbeitsschutz- oder des Arbeitszeitgesetzes verwandle die Beachtung von Art. 33 Abs. 2 GG den Streit in einen solchen, der allein dem öffentlichen Recht angehörte. Der Bewerbungsverfahrensanspruch sei nur Hilfsanspruch und daher nicht geeignet, über die Zuordnung des Rechtswegs für seine Geltendmachung Auskunft zu geben. Diese Einschätzung erfahre Unterstützung dadurch, dass sich Konkurrenzstreitigkeiten von Richtern oder Beamten nicht nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO regelten.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.
1.
Sie ist an sich statthaft und innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt worden und daher insgesamt zulässig.
2.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
a)
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis.
...