Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung des Wahlvorstands
Leitsatz (amtlich)
Untätigkeit oder Säumnis des Wahlvorstands führt dann zur Ersetzung durch das Arbeitsgericht, wenn sein Verhalten so unzweckmäßig oder unrechtmäßig ist, dass dadurch die Wahl des Betriebsrats überhaupt gefährdet ist.
Die Einleitung des Verfahrens nach § 18 Abs. 2 BetrVG durch den Wahlvorstand und die damit verbundene Aussetzung der Wahl bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Gerichte stellt ein Pflichtverletzung des Wahlvorstands nicht dar, soweit be-rechtigte Zweifel an der betriebsratsfähigen Einheit bestehen.
Normenkette
BetrVG § 18
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Beschluss vom 29.10.2003; Aktenzeichen 1 BV 9/03) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 5) und 6) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 29.10.2003, Az. 1 BV 9/03, abgeändert.
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der im Betrieb eingesetzte Wahlvorstand zu ersetzen ist.
Die Beteiligte zu 6) ist Herstellerin und unabhängige Anbieterin von IT-Hardware und IT-Dienstleistungen. Der Beteiligte zu 5) ist der auf der Betriebsversammlung bei der Beteiligten zu 6) am 17.02.2003 gewählte Wahlvorstand. Die Beteiligten zu 1) bis 4) sind bzw. waren Mitarbeiter im Betrieb der Beteiligten zu 6).
Dem Beteiligten zu 2) ist zum 31.05.2003 betriebsbedingt gekündigt worden. In dem Kündigungsschutzverfahren unter dem Aktenzeichen 12 Ca 199/03 wurde zwischen dem Beteiligten zu 2) der Beteiligten zu 6) ein Vergleich geschlossen, dass das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 31.05.2003 geendet hat. Dieser Vergleich ist zwischenzeitlich rechtskräftig.
Vor der Wahl des Beteiligten zu 5) hatte bereits am 18.01.2002 eine Betriebsversammlung stattgefunden, auf der ein Wahlvorstand gebildet werden sollte. Vor dieser Betriebsversammlung hatte die Arbeitgeberin bereits ein eigenes Modell einer Mitarbeitervertretung entwickelt und durch eine Mail vom 18.01.2002 (Blatt 7 d. A.) die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle H… darauf hingewiesen. Daraufhin fand sich keine Mehrheit für die Wahl eines Wahlvorstandes.
Die Gewerkschaft ver.di betrieb daraufhin ein Beschlussverfahren bezüglich der gerichtlichen Bestellung eines Wahlvorstandes. Parallel dazu entwickelte die Arbeitgeberin ihr Modell einer Mitarbeitervertretung weiter.
Am 17.04.2002 gab das Arbeitsgericht Hannover dem Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstandes statt. Hiergegen legte die Arbeitgeberin Beschwerde ein, sodass Termin vor dem Landesarbeitsgericht am 18.02.2003 anstand.
Der Vorsitzende des Beteiligten zu 5), Herr R…, hatte zuvor durch Mails vom 10.02.2003 (Blatt 11/12 d. A., Blatt 259/260 d. A.) zu einer Betriebsversammlung für den 17.02.2003 zur Wahl eines Wahlvorstandes eingeladen. Auf dieser Betriebsversammlung vom 17.02.2003 wurde ein Wahlvorstand gebildet, bestehend aus den Mitarbeitern R…, Ra… und W…. Insoweit wird auf das Protokoll vom 17.02.2003 (Blatt 13 bis 15 d. A.) verwiesen.
Daraufhin wurde das Beschlussverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen zur Bestellung eines Wahlvorstandes für erledigt erklärt.
Am 07.03.2003 wurde das Ergebnis der Abstimmung über die zu bildende Mitarbeitervertretung im Betrieb der Beteiligten zu 6) bekanntgegeben, wobei eine Zustimmung von 96,97 % mitgeteilt wurde (Blatt 76 d. A.).
Gemäß Wahlausschreiben vom 26.03.2003 wurde für den 07.05.2003 eine Betriebsratswahl anberaumt. Die Bekanntmachung der Vorschlagslisten erfolgte am 14.04.2003 (Blatt 19 d. A.).
Durch Mail vom 06.05.2003 wurde die für den 07.05.2003 anberaumte Betriebsratswahl gestoppt mit der Begründung, dass beim Versand einiger Briefwahlunterlagen ein formaler Fehler unterlaufen sei. Insoweit wird auf die Mail vom 06.05.2003 (Blatt 17/18 d. A.) verwiesen.
Der Wahlvorstand begann daraufhin die Wahl von vorne mit einer Wahlausschreibung vom 27.05.2003, wobei der Termin der Wahl auf den 10.07.2003 festgelegt wurde.
Am 01.07.2003 entschied der Beteiligte zu 5) erneut, die angesetzte Wahl abzubrechen und zuvor ein Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG durchzuführen, da Zweifel an der Betriebsratsfähigkeit der Geschäftsstelle H… bestünden.
Zuvor hatte es eine Vielzahl von Sitzungen des Wahlvorstandes gegeben, in denen zum großen Teil auch Herr K…, der Beteiligte zu 2), als Beauftragter der Gewerkschaft ver.di, sowie Herr Kn… als beratender Anwalt der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 6) teilgenommen hat. Insoweit wird auf die Sitzungsprotokolle zwischen dem 04.03.2003 und 25.06.2003 (Blatt 261 bis 270 d. A.) verwiesen.
Bis zum Jahre 2002 wurde die Geschäftsstelle H… von einem hierfür zuständigen Geschäftsführer geführt, der im Jahre 2002 andere Aufgaben außerhalb des Standortes H… wahrnahm. Die relevanten Personalentscheidungen der Geschäftsstelle H… waren bei diesem Geschäftsführer angesiedelt. Zum Jahreswechsel 2002/2003 erfolgte ein Eigentümerwechsel. Die Gesellschaft der Beteiligten zu 6) wurde an die Firma ...