Entscheidungsstichwort (Thema)
Tendenzbetrieb. Arbeitnehmerüberlassung. Gleichstellungsgebot. Eingruppierung. Übernahme und Eingruppierung von Leiharbeitnehmern bei Arbeitnehmerüberlassung
Leitsatz (amtlich)
1.§ 14 Abs.3 AÜG beinhaltet eine Rechtsgrundverweisung und keine Rechtsfolgenverweisung auf § 99 BetrVG.
2.Für die Frage, ob der Tendenzschutz nach § 118 BetrVG das Mitbestimmungsrecht des Entleiherbetriebsrates einschränkt, ist auf die Verhältnisse im Entleiherbetrieb und den dortigen Einsatz des Leiharbeitnehmers abzustellen.
3.Arbeitnehmerüberlassung durch eine Personaldienstleistungsgesellschaft, deren Geschäftsführer zugleich Personalleiter des einzigen Entleiherbetriebes ist und deren Gesellschafter identisch mit denen dieses Entleiherbetriebes sind, verstößt nicht gegen das AÜG.
4. Der Entleiher wird auch dann nicht Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, wenn der Verleiher die behördliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat, aber im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit dem Leiharbeitnehmer das Gleichstellungsgebot nach §§ 3 Abs.1 Nr.2, 9 Nr.2 AÜG verletzt.
5. Dem Entleiherbetriebsrat steht auch dann kein Mitbestimmungsrecht zur Eingruppierung des Leiharbeitnehmers zu, wenn der Verleiher das Gleichstellungsgebot nach §§ 3 Abs.1 Nr.3, 9 Nr.2 AÜG verletzt.
Normenkette
BetrVG §§ 99, 118; AÜG § 14 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Stade (Beschluss vom 30.01.2007; Aktenzeichen 2 BV 12/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stade vom 30.01.2007 – 2 BV 12/06 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Übernahme eines Leiharbeitnehmers, Tendenzschutz sowie Eingruppierung.
Die Beteiligte zu 2) ist ein Zeitungsverlag und gibt u. a. die Tageszeitung A-Zeitung und das Tageblatt „B.” heraus. Sie beschäftigt ca. 170 Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 1) ist der bei der Beteiligten zu 2) gewählte Betriebsrat.
Schwesterunternehmen der Beteiligten zu 2) ist die A.-GmbH. Dabei handelt es sich um eine Personaldienstleistungsgesellschaft, die über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt. Deren Gesellschafter sind identisch mit denen der Beteiligten zu 2). Der Personalleiter der Beteiligte zu 2), Herr A., ist der Geschäftsführer der A.-GmbH.
Herr B. hatte bei der Beteiligten zu 2) vom 01.06.2004 an ein zweijähriges Redaktionsvolontariat absolviert. Ab dem 01.06.2006 war er befristet für drei Monate für die Beteiligte zu 2) als Redakteur tätig. Vom 27.07.2006 bis 04.08.2006 (vgl. Bl. 6 d. A.) schrieb die Beteiligte zu 2) innerbetrieblich die Position eines/einer Redakteur/in als Leiharbeitnehmer zweckbefristet (Mutterschutz) aus.
Mit Schreiben vom 07.08.2006 (vgl. Bl. 5 d. A.) informierte die Beteiligte zu 2) den Beteiligten zu 1) über die beabsichtigte Einstellung des Herrn B. als Leiharbeitnehmer mit dem Aufgabenbereich eines Redakteurs, und zwar zweckbefristet für die Elternzeit der Arbeitnehmerin C.. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Blatt 5 der Akte Bezug genommen. Der Beteiligte zu 1) verweigerte mit Schreiben vom 14.08.2006 (Bl. 7 und 8 d. A.) seine Zustimmung hierzu. Die Beteiligte zu 2) leitete kein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren ein, sondern berief sich im Schreiben vom 17.08.2006 (Bl. 9 d. A.) darauf, Herr B. sei Tendenzträger und deshalb bestehe ein Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1) nicht.
Herr B. wird ab dem 01.09.2006 tatsächlich als Redakteur für die Beteiligte zu 2) tätig, und zwar als Leiharbeitnehmer der A.-GmbH.
Mit dem am 25.10.2006 beim Arbeitsgericht Stade eingegangenen Antrag begehrt der Beteiligte zu 1) die Aufhebung der Einstellung des Herrn B..
Er hat die Ansicht vertreten, bei der Einstellung von Herrn B. als Leiharbeitnehmer der A.-GmbH handele es sich um einen Rechtsformenmissbrauch. Er nehme den selben Arbeitsplatz ein, den er während seiner befristeten Tätigkeit für die Beteiligte zu 2) innegehabt habe. Für das auf drei Monate befristete Arbeitsverhältnis habe seinerzeit kein Sachgrund bestanden. Herr B. sei auch nicht als Tendenzträger zu qualifizieren. Das sei im Verhältnis zur Beteiligten zu 2) bereits deshalb zu verneinen, weil er, sofern er nicht ohnehin in einem unmittelbaren Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 2) stehe, in einem solchen mit der A.-GmbH stehe, die kein Tendenzunternehmen sei. Auch im Bezug auf die Beteiligte zu 2) sei er kein Tendenzträger. Er habe keinen unmittelbaren maßgeblichen Einfluss auf die Tendenzverwirklichung. Er sei nicht verantwortlicher Redakteur im Tageblatt „B.”, dass sei allein der Chefredakteur Herr D.. Ohnehin mache die Tätigkeit für das Tageblatt, welches im Wesentlichen eine Anzeigenbeilage sei, nur ein geringen Teil seiner Gesamttätigkeit aus.
Abgesehen davon, sei die Beteiligte zu 2) zur Eingruppierung des Herrn B. verpflichtet. Das folge entweder schon daraus, dass Herr B. wegen des Rechtsformenmissbrauchs in einem unmittelbaren Arbeitsverhältnis zu der Beteiligten zu 2) stehe, oder ...