Entscheidungsstichwort (Thema)
Konzerneigene Arbeitnehmerüberlassung. Eingruppierung Leiharbeitnhmer. Zugang Betriebsratsanhörung. Zugang einer Einstellungsanhörung durch Einwurf in den Betriebsratsbriefkasten. konzerneigene Arbeitnehmerüberlassung. Mitbestimmungsrecht des Entleiherbetriebsrates bei der Eingruppierung eines Leiharbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. § 130 BGB findet auch im Rahmen des § 26 Abs.2 S.2 BetrVG Anwendung; mit Einwurf eines Anhörungsschreiben in den Briefkasten des Betriebsrates geht dieses zu und wird die Frist des § 99 Abs.3 BetrVG in Gang gesetzt.
2.Arbeitnehmerüberlassung durch eine Personaldienstleistungsgesellschaft, deren Geschäftsführer zugleich Personalleiter des einzigen Entleiherbetriebes ist und deren Gesellschafter identisch mit denen dieses Entleiherbetriebes sind, stellt keinen Umgehungstatbestand dar und ist zulässig.
3. Der Entleiher wird auch dann nicht Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, wenn der Verleiher die behördliche Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung hat, aber im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit dem Leiharbeitnehmer das Gleichstellungsgebot nach §§ 3 Abs.1 Nr.2, 9 Nr.2 AÜG verletzt.
4. Dem Entleiherbetriebsrat steht auch dann kein Mitbestimmungsrecht zur Eingruppierung des Leiharbeitnehmers zu, wenn der Verleiher das Gleichstellungsgebot nach §§ 3 Abs.1 Nr.3, 9 Nr.2 AÜG verletzt.
Normenkette
BGB § 130; BetrVG § 26 II 2, § 99 III
Verfahrensgang
ArbG Stade (Beschluss vom 30.01.2007; Aktenzeichen 2 BV 13/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stade vom 30.01.2007 – 2 BV 13/06 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Übernahme einer Leiharbeitnehmerin und deren Eingruppierung.
Die Beteiligte zu 2) ist ein Zeitungsverlag und gibt unter anderem die Tageszeitung „A-Zeitung” heraus. Sie beschäftigt ca. 170 Arbeitnehmer und ist Mitglied im Arbeitgeberverband. Der Beteiligte zu 1) ist der bei der Beteiligten zu 2) gewählte Betriebsrat. Schwesterunternehmen der Beteiligten zu 2) ist die A-GmbH (A-GmbH). Dabei handelt es sich um eine Personaldienstleistungsgesellschaft, die über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt. Deren Gesellschafter sind identisch mit denen der Beteiligten zu 2). Der Geschäftsführer der A-GmbH ist der Personalleiter der Beteiligten zu 2), Herr A..
Frau Frau S. stand ursprünglich ab 06.07.2006 in einem bis zum 30.09.2006 befristeten Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 2). Nachdem ein anderer Mitarbeiter der Beteiligten zu 2), Herr H., zum 30.06.2006 sein Arbeitsverhältnis beendet hatte, schrieb die Beteiligte zu 2) innerbetrieblich vom 03.07. – 16.07.2006 dessen Position als Anzeigeverkaufsberater/in in einem Einsatz als Leiharbeitnehmer aus. Mit Schreiben vom 17.07.2006 teilte die Beteiligte zu 2) dem Beteiligten zu 1) die beabsichtigte Einstellung von Frau S. als Leiharbeitnehmerin als Ersatz für Herrn H. zum 01.08.2006 mit. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Anhörungsschreibens wird auf Bl. 4 d. A. Bezug genommen. Darüber, wann dem Beteiligten zu 1) dieses Schreiben zugegangen ist, besteht Streit zwischen den Beteiligten. Mit am 25.07.2006 bei der Beteiligten zu 2) eingegangenem Schreiben verweigerte der Beteiligte zu 1) die Zustimmung zur Einstellung von Frau S. als Leiharbeitnehmerin (Bl. 6 und 7 d. A.). Unter dem 27.07.2006 (Bl. 22, 23 d. A.) erklärte die Beteiligte zu 2) dem Beteiligten zu 1), dass nach ihrer Ansicht die Zustimmung des Beteiligten zu 1) zur Einstellung von Frau S. als erteilt gelte, weil der Widerspruch des Beteiligten zu 1) erst nach Ablauf der einwöchigen Stellungnahmefrist bei der Beteiligten zu 2) eingegangen sei.
Seit dem 01.08.2006 setzt die Beteiligte zu 2) Frau S. als Leiharbeitnehmerin der A-GmbH tatsächlich ein. Ein arbeitsgerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren hat sie nicht eingeleitet.
Mit am 24.10.2006 beim Arbeitsgericht Stade eingegangenem Schriftsatz begehrt der Beteiligte zu 1) die Aufhebung der Einstellung von Frau S..
Er hat die Ansicht vertreten, dass das Schreiben der Beteiligten zu 2) vom 17.07.2006 keineswegs bereits mit Einwurf in den Briefkasten des Betriebsrates als zugegangen gelte. Aus § 26 Abs. 2 S. 1 BetrVG ergebe sich ausdrücklich, dass insoweit allein auf die Kenntnisnahme durch den Vorsitzenden des Beteiligten zu 1) abzustellen sei. Durch die Aufhängung eines Briefkastens sei § 26 Abs. 2 S. 2 BetrVG nicht außer Kraft gesetzt worden; er bewirke keinen Zugang im Sinne von § 130 BGB. Darüber hinaus hat der Beteiligte zu 1) behauptet, das Anhörungsschreiben bezüglich sei am 17.07.2006 nicht im Briefkasten des Beteiligten zu 1) vorgefunden worden. Der Vorsitzende, Herr K., habe an diesem Tag die Post bearbeitet. Nach der Redaktionskonferenz habe er den Briefkasten geöffnet und darin verschiedene Schriftstücke (vgl. Bl. 33 – 37 d. A.) nicht aber das hier relevante Anhörungsschreiben vorgefunden und abgestempelt. Das Anhörungsschreiben sei ers...