Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen bürgerlich-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten. Corona-Prämie aus § 26e KHG als öffentlich-rechtlicher Zahlungsanspruch. Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten bei Klage auf Auszahlung der Corona-Prämie nach § 26e KHG
Leitsatz (amtlich)
Für Rechtsstreitigkeiten zwischen zugelassenen Krankenhäusern und deren Arbeitnehmern über die auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 26e Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) gestützte Zahlung des Bundesanteils der Corona-Sonderleistung ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet.
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 2 Abs. 1 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen allein für "bürgerliche Rechtsstreitigkeiten" zuständig. Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird.
2. § 26e KHG eröffnet einen öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch. Das Krankenhaus hat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 26e Abs. 1 KHG einen Anspruch auf eine Auszahlung aus Bundesmitteln, welche es als einmalige Sonderleistung an die Pflegekräfte weiterzugeben hat. Macht der Arbeitnehmer die Auszahlung der erhaltenen Bundesmittel geltend, handelt es sich nicht um eine im Synallagma stehende Gegenleistung, sondern ausweislich des Wortlauts fungiert das Krankenhaus als Arbeitgeber nur als Zahlstelle.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a; KHG § 26e; VwGO § 40 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 150a Abs. 1; SGG § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1; VwGO § 52 Nr. 5
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 20.06.2023; Aktenzeichen 8 Ca 155/23) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts B-Stadt vom 20.06.2023 - 8 Ca 155/23 - teilweise unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist unzulässig.
2. Der Rechtsstreit wird gemäß § 48 ArbGG, § 17a Abs. 2 GVG an das Verwaltungsgericht Braunschweig verwiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin hat bei der Beklagten von 2008 bis 2011 ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin absolviert und steht nunmehr in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Zuletzt war sie auf der interdisziplinären Intensivstation eingesetzt. Ab dem 24.05.2021 hatte sie ein Beschäftigungsverbot. Bis zum 19.06.2022 befand sie sich in Elternzeit.
Die Beklagte erhielt vom Bund nach § 26e KHG eine Zahlung aus Bundesmitteln. Nach § 26e Abs. 2 KHG hatte sie mit dem ausgezahlten Betrag eine Prämie als einmalige Sonderleistung an diejenigen Pflegefachkräfte zu zahlen, die im Jahr 2021 für mindestens 185 Tage in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen im Krankenhaus beschäftigt gewesen waren. Eine Auszahlung der Prämie an die Klägerin erfolgte nicht. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Auszahlung der Prämie in Höhe von 2.000,- € (brutto).
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20.06.2023 die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs auf Rüge der Beklagten verneint und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Braunschweig verwiesen. Gegen den der Klägerin am 21.06.2023 zugestellten Beschluss richtet sich die am 30.06.2023 beim Arbeitsgericht Braunschweig eingegangene Beschwerde der Klägerin.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet. Es handele sich um eine Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese mit Beschluss vom 06.07.2023 dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze und sonstigen Anlagen verwiesen.
II.
Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, § 567 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht iSd. § 569 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde ist teilweise begründet, gemessen am Beschwerdeziel der Klägerin - den Rechtsstreit bei den Arbeitsgerichten zu belassen - unbegründet.
1.
Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 1 Ziff. 3 a ArbGG und auch nicht aus den übrigen Ziffern des § 2 Abs. 1 ArbGG.
Nach § 2 Abs. 1 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen allein für "bürgerliche Rechtsstreitigkeiten" zuständig. Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann nicht nur bestehen, wenn die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, sondern auch dann, wenn sie sich in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen. Maßgeblich ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene...