Revision
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachwirkung. Andere Abmachung. Nachwirkungszeitraum. Zeitpunkt einer abweichenden Vereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Eine für den Arbeitnehmer ungünstigere Vereinbarung kann als andere Abmachung i.S.v. § 4 TVG auch schon vor dem Ablauf eines Tarifvertrages abgeschlossen werden, wenn den Parteien beim Abschluss der Vereinbarung ein konkret bevorstehender Ablauf des Tarifvertrages und der Beginn des Nachwirkungszeitraumes bekannt gewesen ist und sie die Vereinbarung auch für den bevorstehenden Nachwirkungszeitraum abschließen wollten. In diesem Fall wird die Vereinbarung mit dem Beginn des Nachwirkungszeitraums wirksam.
Normenkette
TVG § 4 V
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 10.04.2003 Az.: 2 Ca 427/02 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revison wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist seit 1969 bei der Beklagten als Auslieferungsfahrer beschäftigt.
Der Kläger ist seit 1994 Mitglied der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG).
Die Beklagte ist bis zum 28.02.2002 Mitglied des tarifschließenden Verbandes deutscher Großbäckereien e. V. (Arbeitgeberverband) gewesen.
Mit Wirkung ab 01.03.2002 wird die Mitgliedschaft der Beklagten ausweislich eines Schreibens des Arbeitgeberverbandes vom 25.02.2002 „tariflos in der entsprechenden Verbandsgruppe geführt”.
Dementsprechend hat die Beklagte auf das Arbeitsverhältnis der Parteien den Manteltarifvertrag für die Brot und Backwarenindustrie Niedersachsen / Bremen vom 21.05.1997 (MTV) und den Lohn- und Gehaltstarifvertrag für die Brot- und Backwarenindustrie Niedersachsen Bremen zuletzt vom 03.04.2001 (LGTV 2001) angewandt.
Der LGTV 2001 ist zum 31.03.2002 gekündigt gewesen. Der ab 01.04.2002 in Kraft getretene LGTV 2002 ist am 17.05.2002 abgeschlossen worden.
Aus dem LGTV 2001 ergibt sich für den Kläger ein Bruttomonatsentgelt von 2008,35 EUR.
Am 19.02.2002 fand im Betrieb der Beklagten eine Besprechung statt, an der auch der Kläger, der seinerzeit Betriebsratsmitglied gewesen ist, teilgenommen hat. Bei dieser Besprechung teilte die Beklagte mit, dass sie aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband vor dem 31.03.2003 austreten werde, um an den zu erwartenden Tariflohnerhöhungen im LGTV 2002 ab 01.04.2002 nicht teilnehmen zu müssen. Weiter erklärte die Arbeitgeberin, dass es aus wirtschaftlichen Gründen notwendig sei, das Entgeltniveau der Arbeitnehmer auch unter die Beträge, die sich aus dem LGTV 2001 ergeben, abzusenken.
Dementsprechend schloss die Beklagte mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern, darunter auch mit dem Kläger am 20.02.2002 die folgende Vereinbarung:
Änderungsvereinbarung
Der zwischen der
und
Herrn
bestehende Arbeitsvertrag wird wie folgt geändert:
1.
Der Monatslohn beträgt ab dem 01.03.2002 1.706,67 EUR.
Mit der Novemberabrechnung wird eine Sonderzahlung von 300,00 EUR gezahlt. Sollte ein Weihnachtsgeld gezahlt werden, wird diese Sonderzahlung verrechnet.
3.
Insolvenzsicherung
Für den Fall, dass nach Stellung eines Insolvenzantrags das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, gilt als vereinbart, dass die Haustarife rückwirkend außer Kraft gesetzt werden und ebenfalls rückwirkend die bestehenden Flächentarifverträge wieder in Kraft gesetzt werden.
A…, 20.02.2002
(Arbeitgeber) (Arbeitnehmer).
Die in dieser Vereinbarung vorgesehene Ziffer 2 mit dem Wortlaut
2.
Die Arbeitsvertragsparteien sind sich darüber einig, dass auf das Arbeitsverhältnis keine tarifvertraglichen Bestimmungen Anwendung finden.
strich der Kläger vor Unterzeichnung der Änderungsvereinbarung durch.
Im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung sind den Parteien die Kündigung des LGTV 2001 zum 31.03.2002 und der bevorstehende Austritt der Beklagten aus dem tarifschließenden Verband vor dem 31.03.2002 bekannt gewesen.
Ab 01.03.2002 zahlte die Beklagte an den Kläger monatlich 1.766,90 EUR.
Den Differenzbetrag zwischen dieser Summe und dem Entgelt aus dem LGTV 2001 für März 2002 hat die Beklagte nachgezahlt, nachdem der Kläger seine Mitgliedschaft in der NGG nachgewiesen hat (Az. 1 Ca 242/02 Arbeitsgericht Hameln). Über die Differenzbeträge für die Monate April bis Juli 2002 hat der Kläger ein obsiegendes Urteil des Arbeitsgerichts Hameln Az. 1 Ca 296/02 erwirkt, gegen das die Beklagte kein Rechtsmittel eingelegt hat.
Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 1.690,15 EUR brutto an Differenzbeträgen für die Monate August 2002 bis Februar 2003 in Anspruch.
Weiterhin hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 1.809,60 EUR brutto an restlicher Jahressonderzahlung gemäß § 13 MTV in Anspruch genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Jahressonderzahlung stattgegeben und sie hinsichtlich der verlangten Vergütungsdifferenzen mit der Begründung abgewiesen, dass die Vereinbarung vom 20.02.2002 für den Klagzeitraum wirksam geworden sei, da de...