Entscheidungsstichwort (Thema)
AGG. Indizwirkung. Zahlungsklagen
Leitsatz (amtlich)
Verfahrensverstöße im Bereich des Auswahlverfahrens bei der Einstellung von Arbeitnehmern haben gem. § 22 AGG nur dann eine indizielle Bedeutung, wenn sie irgendeinen Bezug zu dem in § 1 AGG genannten (sog. pönalisierten) Merkmal aufweisen.
Normenkette
AGG § 22
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Urteil vom 15.07.2010; Aktenzeichen 11 Ca 110/10 Ö) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 15.07.2010 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin fordert Entschädigung und Schadensersatz wegen einer behaupteten Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens.
Wegen der genauen Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, Bl. 2 bis 6 desselben, Bl. 130 bis 132 der Gerichtsakte verwiesen.
Mit Urteil vom 15.07.2010 hat das Arbeitsgericht Hannover die Klage abgewiesen. Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, (Bl. 6 bis 9 desselben, Bl. 132 bis 134 der Gerichtsakte) verwiesen.
Dieses Urteil ist der Klägerin am 06.08.2010 zugestellt worden. Mit einem am 31.08.2010 eingegangenen Schriftsatz hat sie Berufung eingelegt und diese mit einem am 08.11.2010 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 06.10.2010 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.11.2010 verlängert hatte. Nachdem sie ursprünglich im vollem Umfang ihr erstinstanzliches Klageziel weiter verfolgt hat, begehrt sie mit ihrem am 01.03.2011 eingegangenen Schriftsatz nur noch die Zahlung einer Entschädigung in angemessener Höhe (mindestens 12.000,00 EUR) sowie Schadensersatz in Höhe von 8.558,85 EUR. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint, es gäbe eine Vielzahl von Indizien, welche die Benachteiligung bei der Stellenvergabe aufgrund ihres Geschlechtes als Frau vermuten ließen. Die Vermutungswirkung dieser Indizien sei nicht von dem beklagten Land widerlegt worden.
So sei die Abfrage der Merkmale Familienstand, Kinderzahl und Teilzeitwunsch ein Indiz für die Benachteiligung. Denn die Frage nach diesen Merkmalen in Kombination mit der offenkundigen Merkmalsausprägung „weiblich” erlaube einem Arbeitgeber, in Ansehung statistischer Zusammenhänge Rückschlüsse auf ein Ausfallrisiko der betreffenden Bewerberin zu ziehen. Im Übrigen sei auch die Gleichstellungsbeauftragte nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Es werde ausdrücklich mit Nichtwissen bestritten, dass sie die an sie geschickte E-Mail tatsächlich erhalten habe. Auch sei mit Herrn L. ein geringer qualifizierter Mann eingestellt worden. Sein Abschluss „Verwaltungsprüfung II” sei gegenüber dem Hochschulabschluss der Klägerin eine geringerwertige Qualifikation. Feststehe, dass ein Mann diesen Posten erhalten habe, wohingegen nicht nur die Klägerin sondern auch eine andere Bewerberin mit der Qualifikation einer Diplombetriebswirtin abgelehnt worden sei. Im Übrigen sei das Auswahlverfahren rechtswidrig gewesen, insbesondere sei die vom beklagten Land angeführte mangelnde Kommunikationsfähigkeit für einen Ausschluss aus der Auswahl ungeeignet gewesen, jedenfalls sei diese Kommunikationsfähigkeit unsachgemäß festgestellt worden und schlussendlich habe dem Vorstellungsgespräch eine wesentlich geringere Bedeutung beigemessen werden müssen, als es das beklagte Land offensichtlich getan hat. Darüber hinaus sei auch die veränderte Formulierung in der Neuausschreibung ein Indiz für die Diskriminierungsabsicht des beklagten Landes. Diese Veränderung sei bewusst vorgenommen worden und lasse sich nicht durch bloße Nachlässigkeit erklären. Sie habe das Ziel gehabt, eindeutig die Klägerin auszuschließen und eine neue Bewerbung durch sie aussichtslos zu machen. Ergänzend führt sie an, das Fehlen der Gleichstellungsbeauftragten im fraglichen Vorstellungsgespräch erhalte als Indiz dadurch Gewicht, dass sie vom Vorstellungsgespräch offenbar nicht selbst Kenntnis erhalten bzw. nicht selbst den Termin zugesagt habe. Das beklagte Land habe niemals behauptet, die Gleichstellungsbeauftragte habe selbst Kenntnis erhalten und auch zugesagt. Schlussendlich habe die Einladung der Klägerin zum Vorstellungsgespräch nur das Ziel gehabt, die Diskriminierung durch die Nichteinladung zu beseitigen.
Die Klägerin beantragt unter Rücknahme der Berufung im Übrigen:
- Das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 15.07.2010, Az: 11 Ca 110/10 Ö, wird abgeändert.
- Das beklagte Land wird verurteilt, an sie Entschädigung in angemessener Höhe nach Ermessen des Gerichts zu zahlen, mindestens aber 12.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung.
- Das beklagte Land wird verurteilt, an sie Schadensersatz in Höhe von 8.558,85 EUR...