Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzabhängige Jahresabschlussgratifikation. Stichtagsklausel
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Ergebnis- oder Umsatzbeteiligung ist nur dann Arbeitsentgelt im engeren Sinn, wenn die Zahlung nach der individuellen Leistung des einzelnen Arbeitnehmers berechnet wird.
2. Dagegen liegt eine Jahresabschlussgratifikation mit Mischcharakter vor, wenn die Sonderzahlung zwar an den Gesamtumsatz des Betriebes anknüpft, zusätzlich aber auch die erwiesene und/oder künftige Betriebstreue honorieren soll.
3. Auch bei einer umsatzabhängigen Jahresabschlussgratifikation ist eine Klausel, nach der die Zahlung nur solchen Arbeitnehmern zustehen soll, die an einem bestimmten Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, wirksam. Der Ausschluss der Arbeitnehmer, die vor dem vom Arbeitgeber bestimmten Stichtag ausscheiden, verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Durch die Ausschlussklausel wird auch die Freiheit des Arbeitnehmers zum Ausspruch einer Eigenkündigung nicht in einer Weise beeinträchtigt, die sein durch Art. 12 Abs. 1 GG garantiertes Recht auf Berufsfreiheit verletzt.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Urteil vom 15.03.2002; Aktenzeichen 4 Ca 125/02) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 15.03.2002 – 4 Ca 125/02 – wird kostenpflichtig nach einem Wert von 733,74 EUR zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage um Auskunft über die zur Bezifferung einer Klage auf Sondervergütung erforderlichen Berechnungsgrundlagen.
Die Klägerin war als Sekretärin für die Beklagten tätig. Sie bezog inklusive Fahrkostenerstattung zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 3.289,59 DM (1.681,94 EUR). Das Arbeitsverhältnis endete am 30. September 2001 aufgrund einer Eigenkündigung der Klägerin.
Gemäß § 6 des Arbeitsvertrages „Zusatzvereinbarungen” waren die seit 1989 im Betrieb der Beklagten geltenden „Tantiemen-Rahmenbedingungen” Bestandteil des Arbeitsvertrages. Diese enthielten folgende Regelungen:
- Soweit bisher aufgrund schriftlicher oder mündlicher Vereinbarungen oder freiwillig 13. Gehälter oder Weihnachtsgelder gezahlt worden sind, entfällt hiermit einvernehmlich jeder Anspruch darauf und zwar schon zum Jahresende 1989.
- Anstelle der bisherigen Regelungen wird ein umsatzabhängiger Ergebnis-Pool gebildet, an dem die Mitarbeiter entsprechend den nachfolgenden Kriterien beteiligt werden.
- Das anteilige Pool-Ergebnis wird den einzelnen Mitarbeitern jeweils mit dem Januar-Gehalt des Folgejahres ausgezahlt, weil der Anspruch erst nach Ablauf des laufenden Kalenderjahres in seiner Höhe bestimmt werden kann und entsteht.
- Berechtigt sind die Arbeitnehmer, die über den 31.12. hinaus eines jeweiligen Kalenderjahres in einem ordentlichen Arbeitsverhältnis zum Hause S. stehen.
- Bei arbeitnehmerveranlaßtem Ausscheiden zum 1.4. des Folgejahres sind von der Pool-Beteiligung zugunsten des Folgejahr-Pools 75 Prozent und bei Ausscheiden zum 1.7. des Folgejahres 50 Prozent der gewährten Vorjahrestantieme zurückzuzahlen. Das gilt nicht für Ausbildungsverträge.
Der Pool wird mit jeweils 2,75 Prozent des Jahreshonorars, sich ergebend aus
- Honorare netto ohne MwSt lt. Finanzbuchhaltung
- zuzüglich eingehender Beträge aus in der Vergangenheit abgeschriebener Forderungen (netto)
- abzüglich Forderungsverluste des laufenden Jahres
- zuzüglich vereinnahmter Zinsen und Mahnkosten hinsichtlich angemahnter Honorare
am 31.12. eines jeden Jahres aufgefüllt.
…
- Der Pool-Inhalt, wie er sich aufgrund der Zugänge aus Position 5 und 6 ergibt, wird zu 100 Prozent unter alle berechtigten Mitarbeiter im Verhältnis ihrer steuerpflichtigen Jahresbruttolöhne lt. Ausweis des Jahreslohnkontos per 31.12. des betreffenden Kalenderjahres ausgeschüttet.
- Einem Arbeitnehmervertreter, ausgestattet mit den Vollmachten aller übrigen Kollegen, wird im Zweifel das nach Pos. 6 ermittelte Jahreshonorar sowie die Ermittlung des Jahresbrutto der berechtigten Mitarbeiter nachgewiesen, falls ein solches Interesse besteht.
Die Klägerin stimmte diesen Rahmenbedingungen ausdrücklich zu.
Die Klägerin begehrt Auskunft über das zur Berechnung ihres anteiligen Anspruchs aus den Tantiemen-Rahmenbedingungen für 2001 erforderliche Jahreshonorar und die Summe der Jahresbruttolöhne der berechtigten Mitarbeiter. Laut Vortrag der Beklagten im Termin vom 5. Juli 2002 beträgt der anteilige Anspruch der Klägerin für 2001 733,74 EUR.
Durch das der Klägerin am 12. April 2002 zugestellte Urteil vom 15. März 2002 hat das Arbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen, den Streitwert auf 500,– EUR festgesetzt und die Berufung zugelassen. Der Klägerin stehe keine Tantieme nach den Tantiemen-Rahmenbedingungen zu, so dass auch kein Auskunftsanspruch bestehe.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 7. Mai 2002 eingelegt und zugleich begründet worden ist. Die Klägerin hält die Regelung in Ziffer 4 der Tantiemen-Rahmenbedingungen für unwirksam. Die Be...