Verfahrensgang
ArbG Hannover (Urteil vom 15.12.1992; Aktenzeichen 3 Ca 225/92 E) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. Dezember 1992 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Hannover geändert:
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin DM 9.682,30 brutto nebst jeweils 4 % Zinsen auf DM 2.690,66 ab 01.05.1992, DM 1.669,68 ab 08.01.1993 und DM 1.449,04 ab 01.08.1993 zu zahlen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die tarifgerechte Vergütung der am … 02. Januar 1933 geborenen, seit 14. Oktober 1972 vom beklagten Land „als Lehrkraft im Vorschulunterricht” in der Grundschule … eingesetzten Klägerin für die Zeit vom 01. Januar 1991 bis 31. Juli 1993, dem Ende der Tätigkeit der Klägerin infolge Eintritts in den Ruhestand ab 01. August 1993, insbesondere darum, ob die Klägerin, die staatlich anerkannte Kinderpflegerin ist, einer Erzieherin gleichwertige Fähigkeiten besitzt – die Erlangung der gleichwertigen Erfahrungen räumt das beklagte Land aufgrund der langjährigen beanstandungsfrei ausgeübten Tätigkeit der Klägerin ein – und deshalb als sonstige Angestellte wie eine Erzieherin nach Teil II G Anlage 1 a zum BAT einzugruppieren war, und zwar nicht nur nach Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 3 „in der Tätigkeit einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung”, was das beklagte Land durch entsprechende Vergütung anerkannt hat, sondern nach Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5 und Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 6. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, daß sie „gleichwertige Fähigkeiten”, die die Aneignung theoretischer Fertigkeiten, theoretischen Wissens erfordere, besitze.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel nach Eintritt in den Ruhestand im Wege der Zahlung der Differenzbeträge zwischen der ihr gewährten Vergütung und der von ihr erstrebten Vergütung, die zwischen den Parteien einschließlich der begehrten Zinsforderung der Klägerin unstreitig sind, weiter.
Sie beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 15. Dezember 1992 – 3 Ca 225/92 E – die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 9.682,30 DM brutto nebst jeweils 4 % Zinsen auf 2.690,66 DM ab 01. Mai 1992, 1.669,68 DM ab 08. Januar 1993 und 1.449,04 DM ab 01. August 1993 zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es verteidigt das angefochtene Urteil.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil nebst den darin enthaltenen Verweisungen und die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist begründet.
Der Streit der Parteien hat sich, wie insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung deutlich geworden ist, auf die Frage konzentriert, ob die Klägerin einer Erzieherin „gleichwertige” Fähigkeiten durch eine 18-jährige beanstandungsfrei ausgeübte Tätigkeit auf einem Erzieher-Arbeitsplatz erlangt haben könnte oder ob die Erlangung theoretischen Fachwissens erforderlich ist. Der Aufgabenbereich einer Lehrkraft in einer Vorklasse und das in dieser angestrebte Arbeitsergebnis ist weniger von theoretischem Fachwissen als von aus diesem abgeleiteter Anwendung in der praktischen Tätigkeit abhängig. Die Klägerin kam nicht aus einem artfremden Beruf, wie die Goldschmiedin in dem vom Arbeitsgericht entschiedenen Rechtsstreit (2 Ca 934/91 E).
Ihre Ausbildung mag vorrangig auf eine pflegerische Tätigkeit als auf pädagogische Bereiche ausgerichtet gewesen sein, diese waren indessen nicht völlig ausgegliedert.
Die zweijährige Tätigkeit der Klägerin nach ihrer staatlichen Anerkennung als Kinderpflegerin im Kinderheim für Flußschiffer- und Tagesheimkinder und in einem privaten pädagogischen Kinderheim für schwererziehbare Kinder hat von ihr auch pädagogische Fachkenntnisse erfordert und ihre Kenntnisse in diesem Bereich fortgebildet, insbesondere im Umgang mit schwererziehbaren Kindern.
In die für den Unterricht in Vorklassen erforderlichen speziellen Kenntnisse ist die Klägerin im selben Umfang wie ausgebildete Lehrer und Erzieher eingewiesen worden. Auch diese benötigten mithin bei Einführung der Vorklassen eine zusätzliche Spezialunterweisung.
Bis zum Eingruppierungsbegehren der Klägerin als einer Erzieherin gleichgestellten „sonstigen Angestellten” hat die Klägerin die Tätigkeit ununterbrochen und zur Zufriedenheit des beklagten Landes während 18 Jahren ausgeübt (14. Oktober 1972 bis 31. Januar 1990). In der mündlichen Berufungsverhandlung hat der Vertreter des beklagten Landes auf gerichtliche Nachfrage erklärt, daß die Klägerin während der letzten Jahre ihrer Tätigkeit aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten auch als Erzieherin in einer Kindertagesstätte hätte eingesetzt werden können.
Dies bestätigt, daß die Klägerin aufgrund ihrer Fähigkeiten, nicht nur in Vorklassen, auf einem (eng) begrenzten Teilgebiet, sondern auch auf einem umfassenden Tätigkeitsgebiet einer ...