Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsöffentliche Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat
Leitsatz (amtlich)
1) Der Grundsatz der vertauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG ist von beiden Betriebspartnern auch in der betriebsöffentlichen Auseinandersetzung über streitige Regelungsfragen zu beachten.
2) Eine objektive Beeinträchtigung der Betriebsratstätigkeit i. S. v. § 78 S. 1 BetrVG durch herabsetzenden Äußerungen der Arbeitgeberin in Aushängen u. ä. ist nicht durch die Meinungsfreiheit in Art 5 Abs. 1 S. 1 GG gedeckt. Der Betriebsrat kann insoweit Unterlassung von Arbeitgeberin verlangen.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 1; BetrVG § 78 S. 1, § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Beschluss vom 02.07.2003; Aktenzeichen 2 BV 3/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 2. Juli 2003 – 2 BV 3/03 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen
- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Betriebes Kosten der Betriebsratstätigkeit per Aushang mitzuteilen,
- per Aushang zu behaupten, der Betriebsratsvorsitzende, Herr S…, und die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, Frau M…, wollten das gesamte Unternehmen lahm legen,
- der Belegschaft gegenüber öffentlich per Aushang mitzuteilen, der Betriebsrat habe sich „auf unsere und auf ihre Kosten externe Berater sozusagen gekauft”,
- dem Betriebsrat gegenüber der Belegschaft vorzuwerfen, er habe grob fahrlässig und geschäftsschädigend gehandelt.
Im Übrigen werden der Antrag des Betriebsrats und die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der antragstellende Betriebsrat und die beschwerdeführende Arbeitgeberin streiten darüber, ob der Betriebsrat die durch Aushänge der Arbeitgeberin der Belegschaft bekanntgemachte Äußerungen zu seinem Verhalten im Zusammenhang mit angestrebten neuen Regelung zur Arbeitszeit hinzunehmen hat oder insoweit Unterlassung von der Arbeitgeberin verlangen kann.
Das Arbeitsgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 2. Juli 2003 den Unterlassungsanträgen des Betriebsrats mit Ausnahme des Antrags zu Nr. 7 (…zu unterlassen, gegenüber der Belegschaft das Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden persönlich als unverschämt zu bezeichnen und ihm zu unterstellen, er habe „wider besseres Wissen schlichtweg die Unwahrheit gesagt”) stattgegeben und bei Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung der Arbeitgeberin aufgegeben, es zu unterlassen,
- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Betriebes Kosten der Betriebsratstätigkeit per Aushang mitzuteilen;
- per Aushang zu behaupten, der Betriebsratsvorsitzende, Herr S…, und die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, Frau M…, wollten das gesamte Unternehmen lahm legen;
- per Aushang zu behaupten, dem Betriebsratsvorsitzenden, Herrn S…, und der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, Frau M…, scheine eine aktive Mitarbeit fremd zu sein;
- der Belegschaft gegenüber öffentlich per Aushang mitzuteilen, der Betriebsrat habe sich „auf unsere und auf Ihre Kosten externe Berater sozusagen gekauft”;
- dem Betriebsrat gegenüber der Belegschaft vorzuwerfen, er habe grob fahrlässig und geschäftsschädigend gehandelt;
- dem Betriebsrat gegenüber der Belegschaft zu unterstellen, er handele nicht im Interesse der Mitarbeiter.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass sich wegen Verstoßes der Arbeitgeberin gegen das Behinderungsverbot aus § 78 S. 1 BetrVG ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats ergebe. Dieser Schutz umfasse die Tätigkeit des gesamten betriebsverfassungsrechtlichen Organs als auch ihrer einzelnen Mitglieder. Unter Behinderung sei jede unzulässige Erschwerung, Störung oder Verhinderung der Betriebsratstätigkeit zu verstehen, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen sei und es insoweit auf ein Verschulden der Arbeitgeberin nicht ankomme. Demnach habe die Arbeitgeberin im Aushang vom 14. Februar 2003 über die Betriebsratskosten nicht in sachlicher Form berichtet und auch nicht zu erkennen gegeben, dass die Kosten in Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte entstanden und damit erforderlich gewesen seien. Vielmehr habe die Arbeitgeberin in plakativer Form die Betriebsratskosten für 2002 in Höhe von 100.000,00 EUR in Form und Inhalt unsachlich dargestellt und dadurch Stimmungsmache gegen den Betriebsrat betrieben. Die vom Betriebsrat wegen unzulässiger Samstags- und Sonntagsarbeit im Spätherbst erwirkten einstweiligen Verfügungen könnten nicht mit dem Vorwurf verknüpft werden, der Vorsitzende des Betriebsrats und seine Stellvertreterin wollten das Unternehmen „lahm legen”. Auch die an den Vorsitzenden des Betriebsrats und seine Stellvertreterin gerichteten Vorwürfe, beiden scheine aktive Mitarbeit fremd zu sein, werfe ein verallgemeinerndes negatives Licht auf beide und beeinträchtige deren Amtsführung. Die Formulierung, der Betriebsrat habe sich auf Kosten der Antragsgegneri...