Rechtsmittel eingelegt unter dem Aktenzeichen: 2 AZR 399/11

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Massenentlassungsanzeige

 

Leitsatz (amtlich)

Wirksamkeit einer Massenentlassungsanzeige

 

Normenkette

KSchG § 17

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 30.03.2010; Aktenzeichen 13 Ca 580/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 30. März 2010 – 13 Ca 580/09 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung der Beklagten.

Der am 0.0.1949 geborene Kläger trat auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit Wirkung vom 1. September 2000 als Garantie-Sachbearbeiter in die Dienste der Beklagten. In Ziffer 13 des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 21. Juli 2000 vereinbarten die Parteien, dass die vorherige Betriebszugehörigkeit zu der A. Unternehmensgruppe angerechnet werde. Die Beklagte betrieb in B-Stadt ein Autohaus. Dort wurden Pkw's und Nutzfahrzeuge der Marken Audi, Skoda und VW vertrieben. Darüber hinaus bot die Beklagte Service- und Reparaturarbeiten für Kraftfahrzeuge aller Art an. Der Kläger war Vorsitzender des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats. Er erhielt zuletzt ein Gehalt in Höhe von 2.608,00 EUR brutto.

Mit dem nachfolgenden Schreiben vom 19. August 2009 unterrichtete die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat über ihre Entscheidung, den Betrieb des Autohauses zum 31. Dezember 2009 zu schließen und stillzulegen.

„…

leider sind wir gezwungen, unseren Betrieb in B-Stadt per 31.12.2009 stillzulegen. Trotz intensiver Bemühungen ist es nicht gelungen, den Betrieb wirtschaftlich zu führen. Wegen der Einzelheiten dürfen wir auf das als Anlage beiliegende unternehmerische Konzept nebst Anlagen 1 und 2 verweisen.

Beigefügt als Anlage ist ebenfalls der Entwurf eines Interessenausgleiches. Wir bedauern, dass eine andere Entscheidung nicht möglich war. Eine Alternative zur Betriebsstilllegung besteht jedoch nicht. Insbesondere gibt es keine Möglichkeit, die hohen Verluste in der Vergangenheit in Zukunft aufzufangen und kostendeckend zu arbeiten, das heißt höhere Einnahmen herbeizuführen. Resultat ist der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern des Betriebes.

…”

Dem Schreiben war als Anlage neben dem Entwurf eines Interessausgleichs u. a. ein als „unternehmerische Entscheidung” bezeichnetes Schreiben der Beklagten vom 19. August 2009 nebst Anlagen beigefügt.

Unter dem 19. August 2009 erstattete die Beklagte bei der Bundesagentur für Arbeit die Anzeige von Entlassungen gem. § 17 KSchG. In der Anzeige gab sie an, den Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 KSchG über die Entlassungen schriftlich unterrichtet zu haben und eine Abschrift der Mitteilung beizufügen. Im Nachgang zu einem Telefonat vom 25. August 2009 richtete der Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 4. September 2009 ein Schreiben an die Bundesagentur für Arbeit C-Stadt, in dem es auszugsweise heißt:

„…

Sie baten um die Übermittlung weiterer Daten, die wir Ihnen hiermit zukommen lassen. Wir gehen nunmehr davon aus, dass Sie die Massenentlassungsanzeige mit der Vervollständigung wirksam bei Ihnen eingegangen ist.

Sie fragten nach dem Kündigungstermin. Die Kündigungen werden bis spätestens 15.10.2009 ausgesprochen werden. Dieser Tag ist der letzte Tag, an dem die Kündigungen ausgesprochen werden.

Weiter kann ich Ihnen bezüglich der Kündigungsfristen mitteilen, dass es sich um die gesetzlichen Kündigungsfristen handelt. Wir hatten bereits eine Liste mit der Angabe der Betriebszugehörigkeit eingereicht. In Verbindung mit den Kündigungsfristen des BGB ergeben sich die Kündigungsfristen der Mitarbeiter. Die längste Kündigungsfrist beträgt demnach sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats. Bei einem Ausspruch der Kündigung am 15.10.2009 würde die Kündigungsfrist am 31.05.2010 auslaufen.

Hinsichtlich der Stellungnahme des Betriebsrates gilt folgendes: Eine Stellungnahme des Betriebsrates liegt bisher noch nicht vor. Allerdings dürfen wir in diesem Zusammenhang auf § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG verweisen. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrates nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Abs. 2 S. 1 unterrichtet hat, und den Stand der Beratung darlegt. Der Betriebsrat wurde am 19.08.2009 über die Betriebsstilllegung und die damit verbundenen Entlassungen informiert. Das Informationsschreiben datiert vom 19.08.2009 und ist dem Betriebsrat am selben Tage zugegangen. Dieses Schreiben legen wir als Anlage in Ablichtung zur Glaubhaftmachung bei.

Weiter können wir Ihnen diesbezüglich mitteilen, dass am 02.09.2009 ein zusätzliches Unterrichtungsgespräch stattgefunden hat, welches die vorliegenden Informationen vertieft hat. Dabei ging es auch um die Verhandlung zu einem Sozialplan. Insgesamt wurde der Betriebsrat allerdings – wie gesagt – schon am 19.0...

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