Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der Merkmale der Entgeltgruppen E 7 und E 8

 

Leitsatz (amtlich)

1) Legt eine Entgeltgruppe fest, dass das Merkmal „erweiteter Fachkenntnisse und Fertigkeiten” erfüllt wird, wenn die Tätigkeiten selbständig ausgeführt werden, ist das Heraushebungsmerkmal bei selbständiger Ausübung bereits erfüllt. Das Heraushebungsmerkmal ist dann für eine Höhergruppierung noch nicht „verbraucht”.

2) Der „Charakter” einer Tätigkeit kann qualitativ oder quantitativ bestimmt werden.

 

Normenkette

AVR-K; Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation der Evangelischen Kirchen in Niedersachsen; Eingruppierung Physiotherapeutin

 

Verfahrensgang

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 04.06.2008; Aktenzeichen 3 Ca 622/07 E)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.11.2011; Aktenzeichen 4 AZR 777/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 04.06.2008, 3 Ca 622/07 E, abgeändert und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.04.2004 Vergütung nach Entgeltgruppe E 8 AVR-K nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin von Entgeltgruppe E 7 der Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen für diakonische Einrichtungen (AVR-K) in Entgeltgruppe E 8 und E 9.

Die am 30.12.1949 geborene Klägerin steht seit 01.04.1990 als Physiotherapeutin in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Gemäß Arbeitsvertrag vom 08.02./14.02.1990 (Bl. 9 d. A.) findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Arbeitsvertragrichtlinie des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland Anwendung. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden erzielt sie ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von ca. 1.650,00 Euro.

Die AVR-K enthalten im Teil B I folgende Regelungen zur Eingruppierung:

㤠1

Die Arbeitnehmerinnen werden entsprechend den Tätigkeitsmerkmalen des übertragenen Arbeitsplatzes in die Entgeltgruppe eingruppiert. Für die Eingruppierung in eine Entgeltgruppe ist nicht die berufliche Bezeichnung, sondern allein die Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen maßgebend. Die Eingruppierung richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Oberbetreffe; hierzu sind als Erläuterungen die zu den Entgeltgruppen aufgeführten Richtbeispiele heranzuziehen.

§ 2

Übt eine Arbeitnehmerin innerhalb ihres Arbeitsbereiches ständig wiederkehrend mehrere Tätigkeiten aus, auf die verschiedene Entgeltgruppen zutreffen, so ist sie in die Entgeltgruppe einzugruppieren, deren Anforderungen den Charakter ihres Arbeitsbereiches im Wesentlichen bestimmen. Für solche Tätigkeiten, die bezüglich ihrer Anforderungen zu höheren Entgeltgruppen gehören und durch die Eingruppierung gemäß Satz 1 noch nicht abgegolten werden konnten, ist ein angemessenes Entgelt als Ausgleich zu gewähren. Diese kann entweder 25 Prozent oder 50 Prozent der Differenz zur nächsthöheren Entgeltgruppe betragen und wird gemeinsam vom Arbeitgeber und er Mitarbeitervertretung festgelegt.”

Die maßgeblichen Entgeltgruppen lauten:

„E 6.1

Arbeitnehmerinnen auf Arbeitsplätzen mit Tätigkeiten, die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, die in der Regel durch eine abgeschlossene, mindestens dreijährige Berufsausbildung erworben werden.

Richtbeispiele:

Facharbeiterin

Hausmeisterin mit abgeschlossener handwerklicher Ausbildung

Hauswirtschafterin

Köchin

Verwaltungsmitarbeiterinnen mit kaufmännischer Ausbildung

E 6.2

E 7.1

Arbeitnehmerinnen auf Arbeitsplätzen mit entsprechenden Tätigkeiten in der Pflege, Betreuung oder Erziehung und ein abgeschlossenen Berufsausbildung als Altenpflegerin, Erzieherin, Heilerziehungspflegerin oder Krankenschwester.

E 7.2

Arbeitnehmerinnen auf Arbeitsplätzen mit Tätigkeiten, die über die Anforderungen nach Entgeltgruppe 6 hinaus erweiterte Fachkenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen. Dieses Merkmal wird erfüllt, wenn diese Tätigkeiten im Wesentlichen nach allgemeinen Anweisungen selbständig ausgeführt werden.

Richtbeispiele:

Facharbeiterinnen

Gruppenleiterin in BFW

Hausmeisterin mit abgeschlossener handwerklicher Ausbildung

Hauswirtschafterin

Köchin

Verwaltungsmitarbeiterinnen mit kaufmännischer Ausbildung

E 8

Arbeitnehmerinnen auf Arbeitsplätzen mit Tätigkeiten, die über die Anforderungen nach Entgeltgruppe 7 hinaus

  • • erweiterte Fachkenntnisse sowie Fertigkeiten sowie Verantwortung für Personal oder Betriebsmittel in höherem Ausmaß

    oder

  • • erheblich erweiterte Fachkenntnisse und Fertigkeiten

voraussetzen.

Richtbeispiele:

Altenpflegerin

Erzieherin

Facharbeiterin

Heilerziehungspflegerin

Köchin

Krankenschwester

Meisterin

Technikerin

Verwaltungsmitarbeiterinnen mit kaufmännischer Ausbildung

In der Anmerkung heißt es hierzu: „Die Tätigkeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten sowie auf Arbeitsplätzen in der stationären Behindertenhilfe, die üblicher...

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