Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. Vorzeitige Umsetzung
Leitsatz (redaktionell)
Aus einer zeitweisen vertragswidrigen Beschäftigung folgt nicht zwingend die Unwirksamkeit der zum Zweck der Vertragsanpassung ausgesprochenen Änderungskündigung.
Normenkette
KSchG § 2
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 04.02.2010; Aktenzeichen 4 Ca 395/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 04.02.2010, 4 Ca 395/09, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.577,63 EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen mit Änderungskündigung vom 29.07.2009, ausgesprochen zum 31.10.2009, sozial ungerechtfertigt ist. Er hat die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen.
Der Kläger, 1959 geboren, verheiratet und zwei Kindern unterhaltspflichtig, ist ausgebildeter Fleischer und seit dem 01.05.1984 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Fleischwarenindustrie mit Mitte 2009 219 Beschäftigten. Im Betrieb finden Anwendung firmentarifvertragliche Regelungen, darunter der Lohntarifvertrag vom 26.08.2008 (LTV).
Der Kläger war in der Materialvorbereitung beschäftigt, in der insbesondere Schinken zerlegt wurden, und erhielt Lohn nach Lohngruppe I LTV. Die Änderungskündigung vom 29.07.2009 (Bl. 5 und 6 d. A.) beinhaltet Umsetzung in den Bereich der Verpackung mit Lohn nach Lohngruppe III LTV ab 01.11.2009 und gestaffelten Ausgleichszahlungen bis zum 31.12.2010. Der Kläger ist seit Anfang Juli 2009 im Bereich Verpackung eingesetzt.
Nach Interessenausgleich und Sozialplan vom 16.07.2009 (Bl. 20 f. d. A.) ist von der Beklagten die Entscheidung getroffen worden, die Abteilung Materialvorbereitung, insbesondere die Schinkenzerlegung mit Wirkung vom 30.06.2009 einzustellen und die Materialien für die Schinkenproduktion ab 01.07.2009 zuzukaufen. Von der Auflösung der Abteilung Materialvorbereitung seien 11 gewerbliche Arbeitnehmer betroffen, die auf Arbeitsplätze in den Bereichen Verpackung, Rohwurst Kutter, Pökelei, Verladehalle umgesetzt werden sollten und nach Lohngruppe III herabgruppiert werden sollten. Anlage 1 zum Interessenausgleich und Sozialplan (Bl. 27 d. A.) enthält eine Liste mit 11 betroffenen gewerblichen Arbeitnehmern der Materialvorbereitung. Davon waren 9 Arbeitnehmer in Lohngruppe I, ein Arbeitnehmer in Lohngruppe III und 1 Arbeitnehmer in Lohngruppe II eingestuft. Auf den Inhalt der Personalliste wird Bezug genommen.
Der Kläger hat die Sozialauswahl gerügt und ausgeführt, Tätigkeiten eines Fleischergesellen nach Lohngruppe I LTV seien weiterhin vorhanden in den Abteilungen Brühwurst, Rohwurst, Warenannahme und Pökelkeller.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis trotz der Änderungskündigung vom 29.07.2009 unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, mit Schließung der Materialvorbereitung seien die Arbeitsplätze nach Lohngruppe I LTV weggefallen. Arbeitsplätze nach Lohngruppe I LTV mit reiner Fleischertätigkeit seien im Betrieb nicht mehr vorhanden. Soweit Arbeitnehmer nach dieser Lohngruppe vergütet würden, erfolge dies nicht aufgrund der Qualifikation als Fleischer, sondern weil die Arbeitnehmer mindestens als stellvertretende Abteilungsleiter tätig seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt, weil der Kläger schon vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist umgesetzt worden sei.
Mit Berufung widerspricht die Beklagte der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts. Die Umsetzung des Klägers Anfang Juli 2009 habe nicht die Unwirksamkeit der Änderungskündigung zur Folge. Mit Schriftsatz vom 17.09.2010, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, meint die Beklagte, aus § 3 Abs. 2 LTV folge nicht, dass allein aufgrund der Berufsausbildung und einer zum Berufsbild gehörenden Teiltätigkeit die Anforderungen der Lohngruppe I LTV erfüllt seien. Erforderlich für Lohngruppe I LTV sei, dass die Tätigkeit im Wesentlichen dem Berufsbild des Ausbildungsberufes entspreche. Mit Schließung der Materialvorbereitung habe deshalb kein Arbeitsplatz bestanden, auf den der Kläger ohne Herabstufung nach Lohngruppe III LTV habe eingesetzt werden können. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren eine Stellungnahme des Verbandes der Ernährungswirtschaft vom 17.09.2010 vorgelegt, auf deren Inhalt (Bl. 103 d. A.) Bezug genommen wird.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 04.02.2010 – Az.: 4 Ca 395/09 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das arbeitsgerichtliche Urteil. Er wiederholt insbesondere sein erstinstanzliches Vorbringen,...