Eingruppierung in die EG 3 TVöD nur bei mindestens 6 Wochen Einarbeitungszeit
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der als "Service Agent" an einem Flughafen beschäftigt und nach Teil A Abschnitt I der Entgeltordnung zum TVöD/VKA in die Entgeltgruppe 2 eingruppiert ist. Die Tätigkeit umfasst die Betreuung älterer, mobilitätseingeschränkter oder behinderter Fluggäste und darüber hinaus die Betreuung alleine reisender Kinder sowie die Betreuung anderer Fluggäste, die eine Begleitung benötigen.
34-tägige Einweisungsphase ist keine eingehende Einarbeitung
Der Arbeitnehmer begehrte eine Vergütung nach EG 3 TVöD/VKA. Zur Begründung führte er an, dass für die Ausübung seiner Tätigkeit eine "eingehende fachliche Einarbeitung" erforderlich sei.
Die Einarbeitung des Arbeitnehmers erfolgte innerhalb einer 34-tägigen Einweisungsphase: Diese bestand aus einem "Lauftag" zur Klärung organisatorischer Fragen, insgesamt 8 Tagen theoretischer Schulung, 6 Tagen begleitetem Arbeiten ("praktische Einweisung"), 7 Tagen Vertiefung ("eigenständiges Arbeiten mit Einweiser im Standby"), 5 Tagen selbstständiger Arbeit im Betrieb sowie einem Workshop am letzten Tag.
Doch genügt dies bereits, um eine "eingehende fachliche Einarbeitung" im Tarifsinne anzunehmen? Nein, entschied das BAG, und stellte klar, dass hierfür in der Regel eine mindestens 6-wöchige Einarbeitung erforderlich ist.
Einheitlicher Arbeitsvorgang liegt Bewertung zugrunde
Zunächst stellt das BAG fest, dass Bezugspunkt der tariflichen Bewertung der Arbeitsvorgang ist (vgl. § 12 Abs. 2 TVöD/VKA). Maßgebend für dessen Bestimmung ist wiederum das Arbeitsergebnis. Ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, bemisst sich anhand einer natürlichen Betrachtungsweise und der durch den Arbeitgeber vorgenommenen Arbeitsorganisation. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einen solchen einheitlichen Arbeitsvorgang nahm das BAG auch in diesem Fall an, denn die von dem Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeiten dienen allesamt der Gewährleistung von Flugreisemöglichkeiten für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität, also demselben Arbeitsergebnis. Zusammenhangstätigkeiten, wie etwa das Dokumentieren der Leistung, sind dabei dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen.
Eingehende Einarbeitung erfordert in der Regel 6 Wochen
Nach Ansicht des BAG handelt es sich um eine "eingehende fachliche Einarbeitung", soweit für die Tätigkeit objektiv erforderliche (nicht nur förderliche!) fachbezogene Kenntnisse und Fertigkeiten ausführlich vermittelt werden. Das BAG betont in der Entscheidung mehrfach, dass auch die Eingruppierung in die EG 3 keine Vor- oder Ausbildung voraussetzt, sondern sich von der EG 2 nur durch die inhaltlich sowie zeitlich intensivere Einarbeitung heraushebt. Aus der Systematik der tariflichen Regelungen leitet das BAG ab, "dass eine Einarbeitung in der Regel nur dann im zeitlichen Sinn als "eingehend" angesehen werden kann, wenn sie einen Zeitraum von mindestens sechs Wochen erfordert." Nur in Ausnahmefällen kann je nach Inhalt der Einarbeitung auch ein kürzerer Zeitraum ausreichend bzw. ein noch längerer Zeitraum erforderlich sein.
Kenntnisse, die im Rahmen der Schulpflicht vermittelt werden, außer Acht lassen
Aus Sicht des Arbeitnehmers, der zuvor auch das LAG gefolgt war, sei eine Einarbeitungszeit von mehr als 6 Wochen allerdings erforderlich gewesen, weil im Rahmen der Tätigkeit nicht nur physisch Barrierefreiheit herzustellen, sondern eine auf das Individuum angepasste interkulturelle Interaktion und eine professionelle Gesprächsführung in einer Fremdsprache durchzuführen ist. Für die Tätigkeit seien daher kulturelle und kommunikative Kompetenzen sowie Sprachkenntnisse nötig, die nicht als "Teil eines Jedermann-Profils" vorausgesetzt werden dürften und die grds. nur in einer Einarbeitung von mehr als sechs Wochen erlernt werden könnten.
Dem widersprach das BAG in seiner Entscheidung, denn Maßstab der zu erwartenden Vorbildung sind auch bei der EG 2 und EG 3 "die im Rahmen der Vollzeitschulpflicht vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten und damit solche, über die Schüler mit dem einfachen Hauptschulabschluss als dem ersten allgemeinbildenden Schulabschluss verfügen".
Bei der Bewertung der objektiv für die Tätigkeit erforderlichen Einarbeitung musste deshalb gemäß dem in diesem Fall maßgeblichen Hessischen Schulgesetz davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer nach Absolvieren der Schulpflicht bereits über Fremdsprachenkenntnisse auf dem Niveau A2 verfügt. Ebenso sind die Befähigung, religiöse und kulturelle Werte zu achten, menschliche Beziehungen nach den Grundsätzen der Achtung und Toleranz aufzubauen, andere Kulturen kennenzulernen und zu verstehen sowie die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und zum sozialen Handeln bereits Teil des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schulen.
Daher war aus Sicht des BAG im Falle des Arbeitnehmers auch keine "eingehende" fachliche Einarbeitung erforderlich, sondern die nur 34-tägige fachliche Einarbeitung war bei objektiver Betrachtung ausreichend zur Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten. Für den Arbeitnehmer verbleibt es danach bei der Eingruppierung in die EG 2.
Die maßgebenden Tätigkeitsmerkmale im Teil A Abschnitt I der Anlage 1 zum TVöD/VKA lauten:
…
3. Entgeltgruppen 2 bis 12 (Büro-, Buchhalterei-, sonstiger Innendienst und Außendienst)
…
Entgeltgruppe 2
Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten.
(Einfache Tätigkeiten sind Tätigkeiten, die keine Vor- oder Ausbildung, aber eine fachliche Einarbeitung erfordern, die über eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase hinausgeht. Einarbeitung dient dem Erwerb derjenigen Kenntnisse und Fertigkeiten, die für die Beherrschung der Arbeitsabläufe als solche erforderlich sind.)
Entgeltgruppe 3
Beschäftigte, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 2 heraushebt, dass sie eine eingehende fachliche Einarbeitung erfordert.“
(BAG, Urteil v. 13.12.2023, 4 AZR 317/22)
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