Entscheidungsstichwort (Thema)

Informationsanspruch als Teil der Stufenklage nach § 254 ZPO. Kein allgemeiner Auskunftsanspruch im Arbeitsrecht. Auskunftsanspruch aus § 242 BGB. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz als Anspruchsgrundlage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Stufenklage nach § 254 ZPO erfasst auch Informationsansprüche, sofern diese dazu dienen, den Leistungsantrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO beziffern zu können und deshalb in einem prozessual gebotenen Zusammenhang mit der Bestimmbarkeit des Zahlungsanspruchs stehen.

2. Ein allgemeiner Auskunftsanspruch besteht weder im Arbeitsverhältnis noch im allgemeinen Zivilrecht.

3. Ausnahmsweise kann aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ein Auskunftsanspruch folgen, denn es ist eine der Hauptaufgaben des Zivilrechts, eine Situation gestörter Vertragsparität, die auch aus einem Informationsgefälle folgen kann, auszugleichen. Dahin zielt auch der Normzweck der in § 241 Abs. 2 BGB geregelten Rücksichtnahmepflicht, die sich aus dem Schuldverhältnis ergibt.

4. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie eine sachfremde Bildung von Arbeitnehmergruppen. Dazu obliegt es dem Arbeitnehmer, eine Ungleichbehandlung mit vergleichbaren Mitarbeitern geltend zu machen.

 

Normenkette

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 254; BGB § 241 Abs. 2, § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Celle (Entscheidung vom 03.03.2021; Aktenzeichen 2 Ca 217/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.04.2023; Aktenzeichen 10 AZR 137/22)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 3. März 2021 - 2 Ca 217/20 - abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über die Bemessungsgrundlage für Zahlungen aus einem Programm zur Beteiligung an der Unternehmensentwicklung und deren Gewährung.

Der Kläger ist seit November 2014 bei der Beklagten beschäftigt, seit 2015 als Leiter des Bereichs Finanzen und Controlling für den Geschäftsbereich Waffe und Munition. Nach § 1 Abs. 2 seines Arbeitsvertrags (Bl. 13 d.A.) gehört er zum Kreis der "leitenden Führungskräfte". Für die Jahre 2015 und 2016 sagte ihm die Beklagte die Teilnahme am "Long-Term Incentive Programm" (LTI) zu. Nach dessen Präambel dient es der Beteiligung des Top-Managements an der langfristigen Unternehmensentwicklung; wegen des genauen Inhalts des LTI wird auf Bl. 22 bis 29 d.A. Bezug genommen. Am 7. November 2016 stellte die Beklagte ihn von der Arbeitsleistung frei; am 30. Juni 2017 sprach sie ihm eine Kündigung, am 31. Dezember 2017 eine Änderungskündigung aus. Die dagegen gerichteten Klagen hatten Erfolg; eine dritte Kündigung nahm die Beklagte zurück. Ab dem 1. Februar 2019 nahm der Kläger seine Arbeit wieder auf.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe in den Jahren 2017 und 2018 nahezu allen leitenden Angestellten, Vorständen und sonstigen Führungskräften die Teilnahme am LTI zugesagt, namentlich 13 von ihm bezeichneten und als Zeugen benannten Arbeitnehmern, ihn jedoch unter Missachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes davon ausgenommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über die für die Ermittlung des Ausschüttungsbetrages des Long-Term Incentive Programms für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 erforderliche Bemessungsgrundlage sowie den jeweiligen individuellen Faktor entsprechend den geltenden Rahmenbedingungen der Beklagten zu erteilen,

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger den sich aus der nach Maßgabe der unter Ziffer 1. erteilten Auskünfte ergebenden Ausschüttungsbetrag für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, nach den Bedingungen des LTI handele es sich um eine freiwillige Leistung; in jedem Jahr werde neu entschieden, ob und in welcher Höhe eine inländische Führungskraft hieran teilnehme. Die Leistung sei im fraglichen Zeitraum auch anderen vergleichbaren Arbeitnehmern nicht gewährt worden. Es gelte der Vorrang der Vertragsfreiheit. Das Auskunftsverlangen laufe auf eine unzulässige Ausforschung hinaus. Es bleibe unklar, auf welchen Personenkreis der Kläger abstelle.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil dem Auskunftsantrag weitgehend entsprochen. Es hat ausgeführt: Der Kläger habe Anspruch auf Auskunft über die für die Ermittlung des Ausschüttungsbetrages des LTI für die Jahre 2017 und 2018 maßgebliche Bemessungsgrundlage. Es sei möglich, dass ein entsprechender Zahlungsanspruch bestehe; er ergebe sich aus Annahmeverzug, denn dieser umfasse auch Sondervergütungen. Der Kläger habe in den beiden ersten Jahren seiner Betriebszugehörigkeit entsprechende Zusagen erhalten; die Beklagte trage nichts dazu vor, weshalb dies in den Folgejahren nicht der Fall gewesen wäre, wenn sie ihn hätte arbeiten lassen. Lediglich in Bezug ...

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