Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Urteil vom 11.07.1997; Aktenzeichen 7 Ca 260/97) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 11.07.1997 – 7 Ca 260/97 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Parteien sind Mitglied der Parteien des Manteltarifvertrags Hotel- und Gaststättengewerbe Niedersachsen vom 28.08.1991 (MTV), der zum 31.12.1994 gekündigt ist.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.08.1983 als Direktionsassistentin tätig. Sie war arbeitsunfähig erkrankt vom 10.–15.10.1996, vom 15.–30.11.1996 und 14 Tage im Dezember 1996. Die Beklagte zahlte an die Klägerin für die krankheitsbedingt ausgefallenen Arbeitstage lediglich 80 % ihres Entgeltes. Die Klägerin begehrt restliche 20 % ihres Entgeltes. Die rechnerisch unstreitigen Beträge für Oktober 1996 in Höhe von DM 42,73 brutto und November 1996 in Höhe von DM 341,82 brutto hat sie mit Schreiben vom 06.01.1997 und den rechnerisch unstreitigen Betrag für Dezember 1996 in Höhe von DM 598,14 brutto mit Schreiben vom 10.02.1997 vergeblich geltend gemacht.
Ihre Klage,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 982,69 brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 11.07.1997 kostenpflichtig abgewiesen.
Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen, das der Klägerin am 13.08.1997 zugestellt worden ist und gegen das sie am 12.09.1997 Berufung eingelegt hat. Auf ihren am Montag, den 13.10.1997 eingegangenen Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.01.1998 verlängert worden, an dem ihre Berufungsbegründungsschrift eingegangen ist.
Die Klägerin greift das Urteil aus den in ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 12.01.1998 wiedergegebenen Gründen an. Auf die Berufungsbegrundungsschrift wird Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils ihrer Klage stattzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf ihre Berufungserwiderung vom 12.03.1998 wird gleichfalls Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung (§§ 64 Abs. 2 und 6, 66 Abs. 1 Satz 1 und 4 ArbGG, 222 Abs. 2, 518, 519 ZPO) ist unbegründet, denn die Klage ist unbegründet.
Die Parteien sind gemäß den §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 5 TVG an den gekündigten Manteltarifvertrag gebunden. Die Klägerin hat die Klageansprüche innerhalb der Ausschlußfrist des § 23 Abs. 1 MTV formgerecht geltend gemacht. Sie stehen ihr in der Sache jedoch nicht zu. Die Klägerin hat für die streitbefangenen Zeiträume gemäß den §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz in der Fassung vom 25.09.1996 (EFZG) lediglich einen Anspruch in Höhe von 80 % ihres Entgeltes. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). § 17 Nr. 2 MTV gibt ihr keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 %, weil er keine eigenständige Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall enthält. Die erkennende Kammer folgt damit den Urteilen der 10. Kammer vom 14.01.1999 (10 Sa 1817/97, Revisionsaktenzeichen 5 AZR 117/99), der 9. Kammer vom 17.02.1999 (9 Sa 289/98) und der 4. Kammer vom 08.03.1999 (4 Sa 2246/97) des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen.
Die gesetzliche Absenkung der Entgeltfortzahlung auf 80 % zum 01.10.1996 sollte nach den Gesetzesmaterialien nicht in bestehende tarifliche Ansprüche eingreifen. Voraussetzung für einen tariflichen Anspruch auf 100 % Entgeltfortzahlung im Krankheitsfälle ist aber, daß der Tarifvertrag nicht nur eine deklaratorische Mitteilung der Gesetzeslage enthält, sondern eine eigenständige, konstitutive Regelung der Entgeltfortzahlung. Das bedarf der Auslegung. Nach der Rechtsprechung der für Kündigungsrechtsstreite zuständigen Senate des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich lediglich um eine deklaratorische Wiedergabe der Gesetzeslage, wenn die gesetzlichen Vorschriften in Bezug genommen werden oder wenn die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften wörtlich oder inhaltlich unverändert in einem umfangreichen Tarifvertrag übernommen werden, es sei denn, der Wille der Tarifvertragsparteien zu einer gesetzesunabhängigen eigenständigen Tarifregelung ist gleichwohl im Tarifvertrag erkennbar geworden (z.B. Urteil vom 14.02.1996 – 2 AZR 166/95 – AP Nr. 21 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie). Der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts (z.B. Urteile vom 16.06.1998 – 5 AZR 67/97, 638/97 und 728/97) folgt im wesentlichen dieser Rechtsprechung, ist jedoch der Ansicht, daß bei wortgleicher oder inhaltsgleicher Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften der Tarifwortlaut nicht gegen das Bestehen eines eigenständigen, konstitutiven Regelungswillen spreche, so daß weniger strenge Anforderungen an den Ausdruck dieses Willens zu stellen seien.
Vorliegend nimmt § 17 Nr. 2 MTV die zur Zeit des Tarifabschlusses einschlägigen gesetzlichen Vorschriften (§ 616 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ 1, 7 LFZG, § 616 Abs. 2 BGB, § 63 HG...