Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Urteil vom 30.05.1997; Aktenzeichen 2 Ca 116/97) |
Nachgehend
Tenor
Unter Zurückweisung im übrigen wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 30.05.1997 – 2 Ca 116/97 – teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 38,88 brutto zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit dem 11.02.1997.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle.
Der Kläger ist seit dem 01.03.1994 als technischer Angestellter – Objektleiter – in dem Reinigungsunternehmen der Beklagten beschäftigt. Er war ab dem 21.10.1996 arbeitsunfähig erkrankt und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 21. bis 23.10.1996 vor. Er nahm jedoch am 23.10.1996 die Arbeit wieder auf und arbeitete an diesem Tag 8,15 Stunden. Die Beklagte zahlte für die drei durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegten Tage an den Kläger nur 80 % seines Entgelts. Mit Schreiben vom 04.12.1996 machte der Kläger die restlichen 20 % seines Entgeltes in Höhe von DM 115,20 brutto geltend.
Nachdem die Beklagte die Zahlung mit Schreiben vom 21.01.1997 abgelehnt hatte, hat der Kläger mit der am 06.02.1997 eingereichten Klage beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 115,20 brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.05.1997 die Klage auf Kosten des Klägers abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen, das dem Kläger am 12.09.1997 zugestellt worden ist und gegen das er am Montag, den 13.10.1997 Berufung eingelegt hat, die er am 27.11.1997 begründet hat, nachdem auf seinen Antrag mit Beschluß vom 13.11.1997 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.01.1998 verlängert worden war.
Der Kläger greift das Urteil aus den in seiner Berufungsbegründungsschrift vom 27.01.1998 wiedergegebenen Gründen an. Auf die Berufungsbegründungsschrift wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 115,20 brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf ihre Berufungserwiderung vom 26.02.1998 wird gleichfalls Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die aufgrund der Zulassung im arbeitsgerichtlichen Urteil statthafte Berufung (§ 64 Abs. 2 ArbGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1 und 4 ArbGG, 222 Abs. 2, 518, 519 ZPO). Sie ist jedoch nur zum Teil begründet.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Rahmentarifvertrag für Angestellte im Gebäudereinigerhandwerk Niedersachsen vom 01.10.1995 (RTV) gemäß § 5 Abs. 4 TVG Anwendung, denn der Tarifvertrag ist für allgemeinverbindlich erklärt worden (Bundesanzeiger Nr. 80/1996). Der Kläger hat den Klageanspruch innerhalb der Ausschlußfristen des § 16 RTV formgerecht geltend gemacht.
Der Kläger hat für den 23.10.1997 Anspruch auf das volle Gehalt, denn er hat an diesem Tag gearbeitet (§ 611 Abs. 1 BGB). Die Beklagte hat deshalb zu Unrecht das Gehalt um 20 %, also um DM 38,88 brutto gekürzt. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 Satz 1 BGB.
Der Kläger hatte dagegen für die beiden am 21. und 22.10.1996 krankheitsbedingt ausgefallenen Arbeitstage gemäß den §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 25.09.1996 lediglich einen Anspruch auf 80 % seines Entgelts. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, daß § 7 Nr. 2 RTV lautet:
Ist ein Angestellter infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert (Arbeitsunfähigkeit), so hat er gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Fortzahlung seines Gehaltes bis zur Dauer von 6 Wochen.
Die gesetzliche Absenkung der Entgeltfortzahlung zum 01.10.1996 sollte nach den Gesetzesmaterialien nicht in bestehende tarifliche Ansprüche eingreifen. Voraussetzung für einen tariflichen Anspruch auf 100 %-ige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist aber, daß der Tarifvertrag nicht nur eine deklaratorische Mitteilung der Gesetzeslage enthält, sondern eine eigenständige, konstitutive Regelung der Entgeltfortzahlung. Das bedarf der Auslegung.
Nach der Rechtsprechung der für Kündigungsrechtsstreitigkeiten zuständigen Senate des Bundesarbeitsgerichts (z. B. Urteil vom 14.02.1996 – 2 AZR 166/95 – AP Nr. 21 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie) handelt es sich um deklaratorische Klauseln, wenn gesetzliche Regelungen in Bezug genommen werden oder wenn die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften wörtlich oder inhaltlich unverändert in einen umfangreichen Tarifvertrag aufgenommen werden und der Wille der Tarifvertragsparte...