Leitsatz (amtlich)
1. Scheidet der Arbeitnehmer mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis aus und nimmt er zusätzlich die Betriebsrente vor dem 65. Lebensjahr in Anspruch, so sind bei der Berechnung der Betriebsrente im Hinblick auf die fehlende Betriebstreue und den früheren und längeren Bezug des Erdienten zwei ausgleichende Korrekturen vorzunehmen.
- Im ersten Rechenschritt ist entsprechend der gesetzlichen Wertung des § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG die bis zum Erreichen der festen Altersgrenze erreichbare Vollrente im Verhältnis der tatsächlichen Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Beschäftigungszeit zu kürzen.
- Im zweiten Rechenschritt sind etwaige in der Versorgungsordnung enthaltene versicherungsmathematische Abschläge zum Ausgleich für den früheren und längeren Bezug der Betriebsrente der bis zum vorgezogenen Ruhestand im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer neben der Kürzung entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG wegen des vorzeitigen Ausscheidens anzuwenden. Fehlt es an einer derartigen Kürzungsregelung, ist die Rente erneut zeitanteilig zu kürzen (unechter versicherungsmathematischer Abschlag).
2. Das Bundearbeitsgericht sieht in stRspr seit dem Urteil vom 23.01.2001 (3 AZR 164/00, AP Nr. 16 zu § 1 BetrAVG – Berechnung) lediglich einen dritten Eingriff in das Äquivalenzverhältnis dadurch, dass bereits eine Ausgangsrente berechnet wird, die die Beschäftigungszeit zwischen der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente und dem Erreichen der festen Altersrente nicht berücksichtigt, als unzulässig an.
3. Bei einem männlichen Arbeitnehmer, der nach Vollendung des 60. Lebensjahres, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahres die Betriebsrente in Asnpruch nimmt, sind versicherungsmathematische Abschläge bei der Berechnung der auf die Beschäftigungszeit nach dem 17.05.1990 (Nach-Barber-Zeit) entfallenden Teilrente nicht vorzunehmen.
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 17.02.2006; Aktenzeichen 3 Ca 1092/03 B) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 17.02.2006 – 3 Ca 1092/03 B – teilweise abgeändert. Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger einen höheren Betrag als 3.474,12 EUR brutto nebst Zinsen (Rentennachzahlung für die Zeit vom 01.11.2001 bis 31.01.2006) und ihm eine höhere Betriebsrente als 372,34 EUR brutto monatlich für die Zeit ab dem 01.02.2006 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden nach einem Wert von 5.392,44 EUR zu 54,5 % dem Kläger und zu 45,5 % der Beklagten auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der dem Kläger zu zahlenden Betriebsrente. Streitig ist im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung lediglich, ob die Beklagte berechtigt ist, einen versicherungsmathematischen Abschlag für die bis zum 17.05.1990 erdiente Teilrente vorzunehmen.
Der 1941 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.02.1971 beschäftigt. Am 31.07.2000 schied er betriebsbedingt im Rahmen eines allgemeinen Personalabbaus durch Aufhebungsvertrag aus dem Arbeitsverhältnis aus. Seit dem 01.11.2001 bezieht er Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Beklagte gewährt dem Kläger eine betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der Pensionsordnung vom 01.07.1976, auf die Bezug genommen wird (Bl. 91 – 93 d. A.). Darin heißt es:
§ 2
Art der Rentenleistungen
Es werden gewährt:
1. Altersrente
Die Altersrente setzt ein, wenn der Versorgungsberechtigte nach Vollendung des 65. Lebensjahres (bei weiblichen Betriebsangehörigen nach Vollendung des 60. Lebensjahres) aus den Diensten der Firma austritt und in den Ruhestand tritt. …
§ 3
Höhe der Rentenleistungen
1. Altersrente
Die monatliche Altersrente beträgt für jedes vollendete Dienstjahr 0,8 %, höchstens insgesamt 20 % des Brutto-Grundlohnes bzw. des Brutto-Grundgehaltes. Die Dienstjahre zählen längstens bis zum Alter 65 (Männer) bzw. bis zum Alter 60 (Frauen). Unter dem Brutto-Grundlohn bzw. Brutto-Grundgehalt ist hierbei der Brutto-Grundlohn bzw. das Brutto-Grundgehalt des vierten Monats vor Rentenbeginn ohne Berücksichtigung von Sonderzahlungen … zu verstehen. Bei einer Dienstzeit über das Pensionierungsalter hinaus wird der Rentenberechnung der Brutto-Grundlohn bzw. das Brutto-Grundgehalt im Alter 65 (Männer) bzw. im Alter 60 (Frauen) zugrunde gelegt. Diese Bemessungsgrenze für die Höhe der Altersrente ändert sich von Rentenbeginn an nicht mehr. …
§ 4
Flexible Altersgrenze
Macht ein Versorgungsberechtigter von der flexiblen Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung Gebrauch und scheidet er aus diesem Grund vor Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Diensten der Firma aus, so behält der Ausscheidende den gemäß § 3 bis zum Ausscheiden erreichten Anspruch auf Altersrente… Auf Antrag erhält der Versorgungsberechtigte eine sofort beginnende lebenslängliche Rente. Diese Rente wird für jeden Monat, um den die Rentenzahlung vor Vollendung des 65. Leb...