Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlässliche Grundschule in Niedersachsen. Eingruppierung + Befristung von sog. „Vertretungslehren”

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Arbeitsvertragsparteien stellen ihre Vertragsbeziehungen durch einen ohne Vorbehalt geschlossenen Folgevertrag regelmäßig auf eine neue Rechtsgrundlage und heben zugleich konkludent ein etwa befristetes früheres Arbeitsverhältnis auf (ständige Rechtsprechung).

2. Die konsequente Fortführung dieses Rechtsgrundsatzes führt dazu, dass sich der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht mehr auf ein zuvor unbefristetes Arbeitsverhältnis berufen kann, und zwar selbst dann nicht, wenn er den Folgevertrag während eines noch laufenden Rechtsstreits abschließt, in dem er erstinstanzlich obsiegt hat. Einer unvermeidbaren Rechtsschutzlücke setzt er sich damit nicht aus. Er ist nicht gezwungen, den befristeten Anschlussarbeitsvertrag abzuschließen, will er seine tatsächliche Beschäftigung sicherstellen. Nach dem erstinstanzlichen obsiegenden Urteil befindet er sich nach § 16 Satz 1 TzBfG in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis und kann vorläufige Weiterbeschäftigung beantragen. Die Rechtsprechung des BAG zum sog. Anschlussverbot nach dem BeschFG ist nicht ohne weiteres auf befristete Folgeverträge nach dem TzBfG zu übertragen (verl. z. B. 26.07.2000 – 7 AZR 43/99 unter B. 1. der Gründe).

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 1, 3, § 17; KSchG § 7; BeschFG § 1 Abs. 3 S. 1, 1 Alt; ZPO §§ 529, 524 Abs. 2; SR 2y BAT Protokollnotizen Nr. 1; SR 2y BAT Protokollnotizen Nr. 2; SR 2y BAT Protokollnotizen Nr. 6a; BAT Vergütungsgruppen Vb; BAT Vergütungsgruppen VIb; GG Art. 3 Abs. 1; ArbZVO-Lehr § 3 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Lüneburg (Urteil vom 28.05.2003; Aktenzeichen 1 Ca 119/03 E)

 

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes und die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 28.05.2003 – 1 Ca 119/03 E – abgeändert. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird das Urteil wie folgt neu gefasst:

1. Die Klage wird abgewiesen, soweit die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung des am 23.01.2003 geschlossenen Arbeitsvertrages geltend gemacht hat.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Grund Befristung zum 31.01.2004 geenndet hat, sondern über diese Zeitpunkt heraus auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 20.08.2003 fortbestehen wird.

3. Das beklagte Land wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 20.08.2003 als Vertretungslehrkraft weiterzubeschäftigen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten trägt die Klägerin. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 4/5 und das beklagte Land 1/5.

Die Revision wird für die Klägerin bezüglich Ziffer 1. des Tenors und für das beklagte Land bezüglich der Ziffern 2. und 3. des Tenors zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses sowie um Vergütungsansprüche der Klägerin im Wege der Gleichbehandlung.

In Niedersachsen wird seit 1998 das Konzpet der „verlässlichen Grundschule” sukzessive umgesetzt. Es sieht vor, dass Grundschüler in der Zeit von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr schulisch betreut werden, und zwar durch Betreuungskräfte für die Jahrgänge 1 und 2 sowie durch Vertretungslehrkräfte. Letztere werden beschäftigt, um auf kurzfristige Unterrichtsausfälle reagieren zu können.

In den Hinweisen des Kultusministeriums „Konzept 2002” (im Folgenden: Durchführungshinweise), auf das wegen seines vollständigen Inhalts Bezug genommen wird, heißt es auszugsweise wie folgt:

„1.3 Vertretung

Um die vorgesehene Anwesenheitsdauer von 5 Zeitstunden … gewährleisten zu können, ist gegebenenfalls Vertretung vorzusehen. …

Bei einem Ausfall von Lehrkräften ist ein „gestaffeltes” Verfahren anzuwenden: Schulorganisatorische Maßnahmen haben Vorrang vor dem Einsatz von Vertretungskräften. Mehrarbeit von Lehrkräften darf nicht zu Unterrichtsausfall führen. Für den Einsatz von Vertretungskräften ist die wahrscheinliche Dauer des Ausfalls abzuschätzen.

  • Bei Ausfällen mit einer wahrscheinlichen Dauer von bis zu 3 Wochen und weniger ist das Vertretungskontingent der Schule in Anspruch zu nehmen.
  • Bei Ausfällen mit einer wahrscheinlichen Dauer von mehr als 3 Wochen bis 6 Wochen sollen „Springer-Lehrkräfte” eingesetzt und Abordnungen von anderen Schulen vorgenommen werden.
  • Bei Ausfällen mit einer wahrscheinlichen Dauer von mehr als 6 Wochen sollen Abordnungen von anderen Schulen vorgenommen oder „Feuerwehr-Lehrkräfte” eingesetzt werden.

Diese Regelung soll nicht als „starres” Schema begriffen werden. Wenn z. B. für eine erkrankte Lehrkraft eine „Springer-Lehrkraft” eingesetzt … und dann absehbar ist, dass die erkrankte Lehrkraft am Ende der siebten Woche zurückkehren wird, kann die „Springer-Lehrkraft” auch noch eine weitere Woche eingesetzt werden. Um die Vertretung in jedem Fall sicherstellen zu können, ist eine enge Zusammenarbeit mit dem od...

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