Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsänderung. Umgehung Änderungskündigungsschutz. Vorbehalt sozialer Rechtfertigung

 

Leitsatz (amtlich)

1.

Biete der Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung zu veränderten Bedingungen (Lehrtätigkeit mit reduzierter Stundenzahl) in Form eines Formulararbeitsvertrages an, anstatt eine notwendige Änderungskündigung zu erklären, die der Arbeitnehmer unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annehmen kann, liegt darin selbst dann kein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn der Arbeitnehmer zuvor zu erkennen gegeben hat, er werde ein konkretes Änderungsangebot unter Vorbehalt annehmen. Unterzeichnet er den Vertrag, kommt dieser unbedingt und vorbehaltlos zustande.

2.

Zur Frage der Eingruppierung von Pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach dem Runderlaß des MK Niedersachsen vom 18.05.2005.

 

Normenkette

KSchG § 2; BGB § 242 Art. 3 I

 

Verfahrensgang

ArbG Wilhelmshaven (Entscheidung vom 11.02.2005; Aktenzeichen 1 Ca 295/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.03.2007; Aktenzeichen 9 AZR 588/06)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin vom 11.02.2005 – 1 Ca 295/04 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Klägerin die Unwirksamkeit der geänderten Arbeitsbedingungen geltend gemacht hat (Antrag zu 1). Hinsichtlich der begehrten Höhergruppierung (Antrag zu 2) wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die in ihrem Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen.

Die 1952 geborene, verheiratete, einem Kind unterhaltsverpflichtete Klägerin legte zwei Staatsexamen für das Lehramt ab. Vor dem Wechsel ihres Wohnortes nach Niedersachsen erteilte sie in einem anderen Bundesland Unterricht.

Die Klägerin wurde von dem beklagten Land aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17.06.2002 im Rahmen des Schulversuchs „Verlässliche Grundschule” als

„Aushilfsangestellte zur stundenweisen Erteilung von Vertretungen auf Abruf nach den Vorgaben der §§ 12 und 14 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes vom 21.12.2000 in der jeweils geltenden Fassung an der Grundschule B. mit durchschnittlich regelmäßig 8 Unterrichtsstunden (von 32 Unterrichtsstunden) wöchentlich, das entspricht einer Gesamtstundenzahl von 368 Unterrichtsstunden im Schul(halb)jahr (durchschnittliche Wochenstundenzahl × 23 Wochen im Schulhalbjahr/46 Wochen im Schuljahr) für das Schul(halb)jahr 2002/2003 vom 01.08.2002 bis 31.07.2003 zur Vertretung von zeitweilig ausfallenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und zur Wahrung der Unterrichtskontinuität (Befristungsgrund) befristet eingestellt”.

Das Arbeitsverhältnis richtete sich kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach dem BAT nebst ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen. Die Klägerin erhielt Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b in Höhe von 511,29 EUR.

Die Klägerin erwirkte durch ein am 02.04.2004 verkündetes Urteil (Arbeitsgerichts Wilhelmshaven, 1 Ca 496/03) die Feststellung, dass sie zu dem beklagten Land in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht.

Mit Schreiben vom 07.06.2004, auf dessen vollständigen Inhalt Bezug genommen wird, schrieb das beklagte Land der Klägerin über deren Prozessbevollmächtigten Folgendes:

„bestätige ich Ihnen hiermit, dass das Arbeitsverhältnis Ihrer Mandantin aufgrund der Feststellungen des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven im Urteil vom 02.04.2004 nicht zum 31.07.2004 endet.

Da jedoch der Schulversuch mit den Regelungen zur Beschäftigung von Vertretungs- und Betreuungskräften zum 31.07.2004 ausläuft, hat das Kultusministerium die aus dem Schulversuch gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen in Regelungen für die Arbeit aller Grundschulen umgesetzt und dabei auch haushaltsrechtliche Erwägungen und erforderliche organisatorische und konzeptionelle Veränderungen berücksichtigt. Wesentlicher Kern der Neuregelungen ist, dass für die Gewährleistung eines 5 Zeitstunden umfassenden Schulvormittags ab 01.08.2004 pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unbefristet eingestellt werden können.

Die entsprechenden Regelungen für die Beschäftigung pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Grundschulen sind vom niedersächsischen Kultusministerium am 18.05.2004 getroffen worden und diesem Schreiben beigefügt. Aufgrund der Veränderungen habe ich die Schulleitung der Grundschule B. in B. gebeten, im Rahmen des von der Schule zu erstellenden Konzepts die Möglichkeit und den Umfang einer Weiterbeschäftigung Ihrer Mandantin zu prüfen und ihr gegebenenfalls ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten.

Sollte Ihre Mandantin das Weiterbeschäftigungsangebot nicht annehmen und auf die Weiterbeschäftigung nach dem bisherigen Beschäftigungsverhältnis bestehen, werde ich weitere arbeitsrechtliche Schritte (ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen) einleiten und den Bedarf der Schule durch Berücksichtigung anderer Bewerber/innen decken müssen.”

Dem Schreiben beigefügt war der Erlass „Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern” in der Grundschule vom 18.05.2004. Danach ha...

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