Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. Soziale Rechtfertigung. Organisationskonzept. Öffentlicher Dienst. Gerichtliche Überprüfung arbeitgeberseitiger Organisationsentscheidungen. Wegfall des Beschäftigungsbedarfs. Schriftform
Leitsatz (amtlich)
Da in Grunderlassen dokumentierte Organisationsentscheidung des Landes, bei kurzfristigen Ausfällen von Lehrkräften in Grundschulen keine Vertretungslehrkraft mehr einzusetzen, die eigenständigen Vertretungsunterricht erteilen, ist von den Arbeitsgerichten nur eingeschränkt überprüfbar.
Dagegen obliegt es den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob die Organisationsentscheidung überhaupt umgesetzt wurde und ob sie sich dahingehend auswirkt, dass der Beschäftigungsbedarf des gekündigten Arbeitnehmers entfallen ist.
Normenkette
KSchG §§ 2, 1 Abs. 2; BGB § 623
Verfahrensgang
ArbG Göttingen (Urteil vom 23.11.2005; Aktenzeichen 3 Ca 438/05) |
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 23.11.2005 – 3 Ca 438/05 – wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.
Die 1959 geborene, verheiratete, 2 Kindern zum gesetzlichen Unterhalt verpflichtete Klägerin trat auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages als nicht vollbeschäftigte Vertretungskraft an der Grundschule L. in die Dienste des beklagten Landes. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt der schriftliche (unbefristete) Arbeitsvertrag vom 19.12.2003. Danach war die Klägerin als Aushilfsangestellte zur stundenweisen Erteilung von Vertretung auf Abruf nach den Vorgaben der §§ 12 und 14 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vom 21.12.2000 mit durchschnittlich regelmäßig 7 Unterrichtsstunden (von 32 Unterrichtsstunden) wöchentlich, das entspricht einer Gesamtstundenzahl von 322 Unterrichtsstunden im Schulhalbjahr, eingestellt. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Die Klägerin war kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung in die Vergütungsgruppe V b BAT eingruppiert. Sie ist staatlich geprüfte Sport- und Gymnastiklehrerin.
Am 01.08.2004 trat der Runderlass des Kultusministers vom 03.02.2004 (301-31020-VORiS 22410) „Die Arbeit in der Grundschule” in Kraft. Darin heißt es auszugsweise:
1.2 Die Grundschule stellt für alle Schülerinnen und Schüler ein täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot sicher (Verlässliche Grundschule).
4.19 Durch unterrichtsergänzende Angebote stellt die Schule für die Schülerinnen und Schüler im 1. und 2. Schuljahrgang ein täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot sicher. Das Konzept für die unterrichtsergänzenden Angebote ist Teil des pädagogischen Konzepts der Schule. Für die unterrichtsergänzenden Angebote werden die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt, die im Rahmen eines Stundenbudgets von der Schule eingestellt werden.
4.1.11 Die Grundschule stellt in einem Vertretungskonzept dar, wie das mindestens täglich fünf Zeitstunden umfassende Schulangebot für alle Kinder sichergestellt werden soll. Dabei ist bei kurzfristigen Ausfällen von Lehrkräften die Vertretung durch Lehrkräfte oder durch die pädagogischen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Schule vorzusehen. Das Vertretungskonzept ist mit den Erziehungsberechtigten abzustimmen.
Die Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Grundschule ist in dem Runderlass des Kultusministers vom 18.05.2004 (301/104 – 81 020/5 / 03 211/8 – VORIS 22410) wie folgt geregelt:
1. Vorbemerkungen
Mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 tritt der neue Erlass „Die Arbeit in der Grundschule” vom 03.02.2004 in Kraft. Danach haben alle Schulen in Niedersachsen ein täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot zu gewährleisten. Neben den Lehrerstunden, die den Grundschulen gem. Erlass zur „Klassenbildung und Unterrichtsversorgung an allgemeinbildenden Schulen” vom 09.02.2004 zugewiesen werden, erhalten die Grundschulen ein Budget zur Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, welches sich an der Anzahl der Schülerinnen und Schüler an der Schule orientiert. Die Schulen entscheiden in eigener Verantwortung, welche Personen sie mit welchem Stundenumfang beschäftigen und wie sie diese Personen einsetzen, um das täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassende Schulangebot sicherzustellen. Hierfür erstellen sie in Zusammenarbeit mit den pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Erziehungsberechtigten ein Konzept für die unterrichtsergänzenden Angebote sowie für die Vertretung bei kurzfristigen Ausfällen.
2. Einsatz der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Der Einsatz der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter is...