Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Massenentlassung. Interessenausgleich. Altersgruppen. Betriebsbedingte Kündigung nach Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namenliste und der Bildung von Altersgruppen
Leitsatz (amtlich)
Die Bildung von Altersgruppen in einem Interessenausgleich mit Namensliste ist grundsätzlich auch unter Geltung des AGG zulässig. Es bedarf auf den Betrieb bezogener Gründe für die Bildung der Altersgruppen. An den Sachvortrag dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1, 3, 5; BetrVG
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Urteil vom 29.01.2007; Aktenzeichen 3 Ca 728/06) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 29.01.07, Az. 3 Ca 728/06 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die betriebsbedingte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte vom 18.09.2006 zum 31.12.2006, begehrt seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtstreits und beantragt hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger gegenüber eine Annahmeerklärung, gerichtet auf den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages, abzugeben.
Der im Zeitpunkt der Kündigung 36jährige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 18.08.1997 entsprechend der internen Tarifgruppe 5, 5 zu einer Bruttovergütung von zuletzt 2.577,92 EUR beschäftigt. Der Kläger war zuletzt tätig in der Abteilung Verdeckbau als sogenannter Polsterer I. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie und der Automobilzuliefererindustrie. Laut Angaben zur Massenentlassungsanzeige (Anlage 17 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.12.2006) waren bei der Beklagten im September 2006 insgesamt 5.331 Arbeitnehmer beschäftigt. Seit dem Jahre 2004 bestanden bei der Beklagten erhebliche Auslastungsprobleme. Aus diesem Grunde wurden im Betrieb der Beklagten mit dem Betriebsrat am 24.11.2004 zwei Interessenausgleiche und Sozialpläne geschlossen für den Bereich des Betriebsmittelbaus wie auch für den Fahrzeugbau. Bezüglich des Interessenausgleiches Nr. 33/04 vom 24.11.2004 sollten 120 Beendigungskündigungen und 90 Änderungskündigungen ausgesprochen werden. Nach dem Sozialplan 32/04 vom 24.11.2004 sollten im Fahrzeugbau 750 Beendigungskündigungen ausgesprochen werden. Diese Interessenausgleiche beinhalteten die Bildung von Altersgruppen, so dass Arbeitnehmer aller Altersgruppen von den Beendigungskündigungen betroffen waren.
Am 07.04.2005 wurden ein weiterer Interessenausgleich und Sozialplan Nr. 12/05 für die gewerblichen Mitarbeiter im Fahrzeugbau abgeschlossen, der 370 Beendigungskündigungen vorsah. Der Sozialplan beinhaltete weder die Bildung von Vergleichs- noch Altersgruppen.
Ab dem 01.06.2006 fanden sodann zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat weitere Gespräche zur Vorbereitung eines Interessenausgleichs und Sozialplans statt aufgrund sich weiter verringender Produktionszahlen bei der Beklagten. Als Ergebnis der Gespräche zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat wurde vereinbart, dass in der ersten Stufe 633 Mitarbeiter gekündigt werden sollten. Diese Stufe sollte den Personalabbau im Rahmen der stückzahlabhängigen Produktionsbereiche betreffen. Neben den Beendigungskündigungen sollten eine Reihe von weiteren Maßnahmen wie z. B. die Gründung einer Transfergesellschaft sowie eine Arbeitszeitabsenkung erfolgen. Zwischenaustritte von Mitarbeitern (Kündigungen oder Aufhebungsverträge) in den betroffenen Bereichen zwischen dem 21.07.06 und dem Ausspruch der Kündigungen sollten auf die Zahl 633 angerechnet werden.
Auf der Grundlage dieser Gespräche und nach einer Betriebsversammlung am 16.08.2006 wurde der Sozialplan und Interessenausgleich Nr. 17/06 am 08.09.06 von den Betriebsparteien unterzeichnet. Auf Grund der Vereinbarungen sollten nun noch 619 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden.
Der Sozialplan beinhaltet im Bezug auf die Sozialauswahl u. a. die folgenden Regelungen:
2. Sozialauswahl
a) In Bezug auf die geplanten Beendigungskündigungen ist vorher eine soziale Auswahl zwischen allen vergleichbaren Beschäftigten durchzuführen. Die Sozialauswahl wird innerhalb der jeweils vergleichbaren Beschäftigungsgruppen des Betriebes gemäß e) vorgenommen.
Es werden die Auswahlrichtlinien und das Punktesystem gemäß b) angewandt, und zwar unter Berücksichtigung der Altersgruppen gemäß c).
Die aus den Sozialauswahllisten ersichtlichen 633 Beschäftigten (abzüglich eventueller Zwischenaustritte) erhalten dann eine Beendigungskündigung. Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Betriebsvereinbarung einen gültigen ATZ-Vertrag haben sowie Beschäftigte mit befristeten Verträgen gem. § 3 TVBesch und Auszubildende bleiben von dieser Regelung unberührt.
b) Für die Sozialauswahl der von Beendigungskündigungen betroffenen Belegschaftsm...