Entscheidungsstichwort (Thema)

Dienstordnungsangestellte. Anwendbarkeit des Beamtenrechts für Bundes- oder Landesbeamte

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Frage, ob es sich bei einer Ortskrankenkasse um eine bundesunmittelbare Körperschaft handelt, die verpflichtet ist, alle Versorgungs- und sonstigen Leistungen (hier: für einen ehemaligen Dienstordnungsangestellten) nach Bundesrecht zu gewähren, kommt es auf den in der Satzung festgelegten Zuständigkeitsbereich an.

Bezieht sich dieser auf ein einziges Bundesland, gilt das jeweilige Landesrecht. Das gilt auch nach einer Fusion mit einer früheren Betriebs- und Innungkkasse, die für Regionen in mehreren Bundesländern zuständig war.

 

Normenkette

GG Art. 87 Abs. 2; 2. BesVNG Art. VIII § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Urteil vom 08.12.2010; Aktenzeichen 3 Ca 386/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.01.2014; Aktenzeichen 3 AZR 829/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08.12.2010 – 3 Ca 386/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der an den Kläger ab April 2010 zu zahlenden Versorgungsbezüge.

Der Kläger war seit dem 01.04.1968 bei der IKK B. als Dienstordnungsangestellter beschäftigt. Die IKK B. war seit dem 01.01.1987 bundesunmittelbarer Sozialversicherungsträger. Mit Wirkung zum 01.01.2004 fusionierte sie mit der IKK Niedersachsen zur „neuen” IKK Niedersachsen, ebenfalls einem bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger.

Mit Schreiben vom 19.10.2004 wurde der Kläger mit Ablauf des 30.06.2005 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Er erhielt Versorgungsbezüge nach den Vorschriften für Bundesbeamte.

Zum 01.04.2010 fusionierte die IKK Niedersachsen mit der ehemaligen AOK Niedersachsen zur Beklagten. Die Beklagte ist nunmehr auch zuständig für die ehemaligen Mitglieder der IKK Niedersachsen, die sich neben der Region Niedersachsen auf die Regionen Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hamburg, Bremen, Westfalen-Lippe, Bayern und Hessen verteilen. Der Anteil der ehemaligen Mitglieder der IKK Niedersachsen an der Gesamtmitgliederzahl der Beklagten beträgt ca. 10 %. Unter dem 11.06.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass nunmehr in ihrer Dienstordnung die Anwendung des Landesrechts Niedersachsen geregelt sei. Er erhalte daher ab April 2010 Bezüge und Beihilfeleistungennach niedersächsischem Landesrecht.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, eine Rechtsgrundlage für die nachteiligen Veränderungen im Zusammenhang mit den Versorgungsansprüchen bestehe nicht. Vielmehr müssten die bisher vertraglich verankerten Arbeitgeberverpflichtungen jedenfalls im Wege von Übergangsregelungen weiter gelten.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 86,88 EUR brutto aus Versorgungsbezügen für die Zeit vom April 2010 bis September 2010 sowie für die nachfolgenden Monate den Differenzbetrag in Höhe von jeweils 14,48 EUR brutto zu zahlen;
  2. festzustellen, dass die Beklagte auch weiterhin ab dem 01.04.2010 die entsprechend geltenden Vorschriften und Bestimmungen für Bundesbeamte anzuwenden hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, mit der Fusion sei sie in die Rechte und Pflichten der bisherigen Krankenkassen eingetreten. Damit seien auch die bisherigen Dienstordnungen beider Träger außer Kraft getreten.

Durch Urteil vom 08.12.2010 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 37 bis 34 d. A.) verwiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 30.12.2010 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 27.01.2011 Berufung eingelegt und diese am 25.02.2011 begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe aufgrund der Geltung der bundesrechtlichen Bestimmungen ein um 33,91 EUR brutto pro Monat höherer Versorgungsbetrag zu. Die Dienstordnung der Beklagten sei nicht die geltende Dienstordnung im Sinne von § 357 Abs. 3 RVO, weil sie unter Verstoß gegen die Bestimmungen des 2. BesVNG die landesbeamtenrechtlichen Regelungen für anwendbar erkläre. Der Beklagte sei ein länderübergreifender Sozialversicherungsträger, der als bundesunmittelbare Körperschaft öffentlichen Rechts nicht von den zwingenden Vorgaben des Artikel VIII § 1 Abs. 2 Nr. 2 des 2. BesVNG abweichen dürfe. Der Zuständigkeitsbereich des Beklagten sei unstreitig über die Grenzen des Landes Niedersachsen hinaus erweitert und könne nicht allein nach der Satzung bestimmt werden. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei auch mit Artikel 87 Abs. 2 Satz 2 GG unvereinbar. Ein Anspruch auf Auszahlung der Versorgung nach Maßgabe der Vorschriften für Bundesbeamte ergebe sich zudem aus § 164 Abs. 2 SGB V.

Der Kläger beantragt,

  1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger rückständige Versorgungsbezüge für die Monate April 2010 bis einschließlich Januar 2011 in Höhe von insgesamt 339,10 EUR brutto nebst Zinsen Höhe von fünf Prozent-Punkten über dem jeweiligen Bas...

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