Entscheidungsstichwort (Thema)

Elternzeit für ein 3. Jahr. keine Zustimmung des Arbeitgebers. Ausspruch auf Elternzeit für ein 3. Jahr ohne Zustimmung des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

§ 16 Abs. 1 BErzGG setzt das schriftliche Verlangen und die gleichzeitige Erklärung voraus, für welche Zeiten innerhalb von 2 Jahren Elternzeit in Anspruch genommen wird. Innerhalb dieser beiden Jahre kann eine Verlängerung oder Verkürzung nur mit Zustimmung des Arbeitgebers nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BErzGG erfolgen. Bei der Inanspruchnahme der Elternzeit für ein drittes Jahr handelt es sich hingegen nicht um eine zustimmungsbedürftige Verlängerung der Elternzeit, sondern um die Geltendmachung des in § 15 Abs. 2 Satz 1 geregelten Rechts, Elternzeit in einem weiteren Zeitabschnitt bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres eines Kindes in Anspruch zu nehmen (im Anschluss an LAG Rheinland-Pfalz 04.12.2004 – 4 Sa 606/04).

 

Normenkette

BErzGG § 16 Abs. 1, 3, § 15 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 22.12.2005; Aktenzeichen 4 Ca 314/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 22.12.2005 – 4 Ca 314/05 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16.08.2005 beendet worden ist.

Es wird festgestellt, dass die Elternzeit der Klägerin bis zum 03.08.2006 fortgedauert hat.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerecht zum 30. November 2005 ausgesprochenen Kündigung der Beklagten. Sie streiten weiter darüber, ob die zunächst bis zum 3. August 2005 bewilligte Elternzeit der Klägerin bis zum 3. August 2006 verlängert worden ist.

Die Klägerin ist seit 1991 Arbeitnehmerin der Beklagten, einer in H ansässigen Steuerberatungsgesellschaft. Sie wohnt heute in W., ist verheiratet und seit dem 3. August 2003 Mutter eines Kindes.

Die Parteien vereinbarten, dass die Klägerin bis zum 2. August 2005 Elternzeit in Anspruch nimmt. Mit Schreiben vom 28. April 2005 bat die Klägerin die Beklagte um Verlängerung der Elternzeit bis zum 3. August 2006. Die Beklagte lehnte die Bitte der Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2005 ab, indem es auszugsweise heißt:

„… Wir sehen uns aber leider nicht im Stande, Ihrem Wunsch entsprechen zu können, da wir sämtliche organisatorischen Vorkehrungen auf die von Ihnen ursprünglich beantragte Elternzeit von 2 Jahren abgestellt haben. …”

Mit weiterem Schreiben vom 3. Mai 2005 sowie mit Schreiben vom 30. Mai 2005, auf die Bezug genommen wird, erläuterte die Beklagte im Einzelnen ihre Rechtsauffassung, wonach sie einer Verlängerung der Elternzeit nicht zustimmen müsse. Dem hielt die Klägerin mit Schreiben vom 7. Mai 2005 ihren Standpunkt entgegen, dass sie sich bis zum 3. August 2006 in Elternzeit befinde. In ihrem Antwortschreiben vom 19. Juli 2005 widersprach die Beklagte mit auszugsweise folgenden Worten:

„Mit Ende der laufenden Elternzeit per 02.08.2005 sind Sie … verpflichtet, am 03.08.2005 Ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen. Wir fordern Sie hierdurch auf, diese Verpflichtung zu erfüllen.

Im Hinblick auf Ihre bisher geäußerte Weigerung sprechen wir gleichzeitig eine

Abmahnung

aus.

Sollten Sie am 03.08.2005 unentschuldigt nicht an Ihrem Arbeitsplatz erscheinen, müssen Sie mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. …”

Nach dem die Klägerin ihre Arbeit am 3. August 2005 nicht wieder aufnahm, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 16. August 2005 wegen Arbeitsverweigerung fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 30. November 2005. Dagegen richtet sich der am 22. August 2005 beim Arbeitsgericht in Hannover erhobene Kündigungsschutzantrag.

Das Arbeitsgericht Trier hat die am 22. Juli 2005 dort eingelegte Klage auf Gewährung einer verlängerten Elternzeit durch Beschluss vom 2. August 2005 an das Arbeitsgericht Hannover verwiesen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Zustimmung der Beklagten zur Verlängerung der Elternzeit sei nicht erforderlich. Da sie der Arbeit somit nicht unentschuldigt ferngeblieben sei, bestehe weder ein Grund zur außerordentlichen noch zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16. August 2005 beendet worden ist,
  2. festzustellen, dass die Elternzeit bis zum 3. August 2006 fortdauert,
  3. die Beklagte zu verurteilen, sie ab dem 4. August 2006 weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und dazu die Rechtsansicht vertreten, die von der Klägerin begehrte Verlängerung der Elternzeit habe ihrer Zustimmung bedurft. Da diese nicht erteilt worden sei, habe die Elternzeit mit Ablauf des 2. August 2005 geendet. Da die Klägerin ihre Tätigkeit am 3. August 2005 nicht wieder aufgenommen habe, sei ihr wegen Arbeit...

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