Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereitschaftsdienst. Krankheit. Höhe der Entgeltfortzahlung. Freizeitausgleich. Freizeitausgleich nach krankheitsbedingt ausgefallenem Bereitschaftsdienst
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind gemäß §§ 37 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 2 BAT auch die im Referenzzeitraum in der Vergangenheit geleisteten Bereitschaftsdienste zu berücksichtigen.
2. Wenn der Arbeitgeber von seinem tariflich vorgesehenen Wahlrecht Gebrauch macht und für geleistete Bereitschaftsdienste Freizeitausgleich in entsprechender Höhe gewährt, so muss er für krankheitsbedingt ausgefallene Bereitschaftsdienste zugunsten des Arbeitnehmers eine entsprechende Zeitgutschrift vornehmen.
Normenkette
EFZG § 4 Abs. 1; BAT § 37 Abs. 2, § 47 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 22.03.2006; Aktenzeichen 3 Ca 493/05) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 22.03.2006 – 3 Ca 493/05 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Arbeitszeitkonto des Klägers acht Stunden gutzuschreiben.
Auf Basis des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 29.06.1993 ist der Kläger seit dem 01.08.1993 zunächst beim Landkreis A. als vollbeschäftigter Angestellter beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinbarung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung (Bl. 67 d. A.).
Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Landkreis A. ist auf die jetzige Beklagte übergegangen, ohne dass die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben.
Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Der Kläger wird dort regelmäßig zu ca. fünf Bereitschaftsdiensten pro Monat eingeplant. Die Lage der Bereitschaftsdienste bestimmt sich nach einem monatsweise im Voraus erstellten Dienstplan. Darin fest eingeplant sind sowohl die Bereitschaftsdienste als auch der dafür zu gewährende Freizeitausgleich.
Der für Februar 2005 erstellte Dienstplan sah für den Kläger für den 16.02.2005 einen Bereitschaftsdienst vor. Am 16.02.2005 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und konnte den Bereitschaftsdienst deshalb nicht ableisten. Dennoch stellte die Beklagte zu Lasten des Klägers für den 17.02.2005 acht Arbeitsstunden als „Freizeitausgleich” zum Soll. Mit Rundschreiben vom 28.02.2005 teilte die Beklagte den Beschäftigten ihren Rechtsstandpunkt mit, wonach der krankheitsbedingte Ausfall von Bereitschaftsdiensten zu Minusstunden auf den Arbeitszeitkonten führen müsse (Bl. 6 d. A.). Mit Schreiben vom 27.04.2005 verlangte der Kläger die Gutschrift von acht Stunden wegen des am 16.02.2005 krankheitsbedingt ausgefallenen Bereitschaftsdienstes (Bl. 5 d. A.) Diesen Anspruch verfolgt der Kläger mit der am 10.08.2005 bei Gericht eingegangenen Leistungsklage weiter.
Der Kläger hat vorgetragen, dass das Vorgehen der Beklagten sowohl gegen § 47 Abs. 2 BAT als auch gegen die § 3 und 4 Entgeltfortzahlungsgesetz verstoße. Die Beklagte versuche in rechtswidriger Weise ihre Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung zu unterlaufen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers acht Stunden gutzuschreiben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass es sich bei dem Bereitschaftsdienst nicht um Arbeitszeit handele. Insbesondere vergütungsrechtlich stehe es dem Arbeitgeber frei, diese Zeiten auch anders zu bewerten. So gelte auch im Beamtenrecht, dass nicht geleistete Mehrarbeit jeglicher Art ohne Rücksicht auf die Ursache ihres Ausfalls nicht als Arbeitszeit angerechnet oder entschädigt werde.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei den fraglichen Bereitschaftsdiensten um regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz handele. Im Falle des Ausgleiches von Bereitschaftsdiensten durch Freizeitausgleich erstrecke sich das Lohnausfallprinzip auch auf den Stand des für den Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkontos. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 22.03.2006 ist der Beklagten am 13.04.2006 zugestellt worden. Hiergegen hat die Beklagte mit am 08.05.2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 13.06.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass das Bundesarbeitsgericht auch in der zeitlichen Nachfolge der SIMAP-Entscheidung des EuGH klargestellt habe, dass dem Bereitschaftsdienst unter den als Arbeitszeit zu betrachtenden Leistungen des Arbeitnehmers ein besonderer Charakter zukomme und eine rechtliche Differenzierung zwischen der regul...