Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen: 9 AZR 419/98

 

Leitsatz (amtlich)

Durch §7 Ziff. 2.1 S. 2. des Manteltarif Vertrages Fleischerhandwerk Niedersachsen/Bremen vom 18.01.1996 wird der Anspruch auf den vollen tariflichen Jahresurlaub nicht beschränkt. Satz 1 der Tarifvorschrift enthält eine Wartezeitregelung. Die Zwölftelung in Satz 2 kann deshalb nur greifen, wenn der Arbeitnehmer wegen Nichterfüllung der Wartezeit keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt oder wenn er vor erfüllter Wartezeit ausscheidet. Nur diese Auslegung ist, gemessen an Art. 3 GG, verfassungskonform.

 

Normenkette

MTV Fleischerhandwerk Niedersachsen/Bremen vom 18.01.1996

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Urteil vom 13.05.1997; Aktenzeichen 4 Ca 569/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.05.1999; Aktenzeichen 9 AZR 419/98)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 13.05.1997 – 4 Ca 569/96 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen tariflichen Urlaubsanspruch; sie sind unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die Kürzungsnorm in §7 Ziff. 2.1 des Manteltarifvertrages Fleischerhandwerk Niedersachsen/Bremen vom 16.01.1996 (MTV) auf das Eintrittsjahr beschränkt ist.

Die am 17.05.1949 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.04.1995 als Verkäuferin beschäftigt. Sie erlitt am 13.01.1996 einen Arbeitsunfall und war deswegen bis zum 17.02.1996 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte teilte der Klägerin, die bis dahin 15 Werktage Urlaub genommen hatte, mit der Entgeltabrechnung für Juni 1996 (Bl. 16 d.A.) mit, sie habe 21 Urlaubstage „genommen” und einen Restanspruch von 15 Urlaubstagen. Sie begründete das damit, die Klägerin habe im Januar und Februar, also in zwei Monaten, nicht mehr als die Hälfte der in diesen Monaten anfallenden Arbeitstage gearbeitet, so daß nach §7 Ziff. 2.1 MTV für diese beiden Monate der anteilige Jahresurlaub entfalle.

Die Klägerin wandte sich mit Schreiben ihrer Berufsvertretung vom 22. Juli 1996 (Bl. 50 d.A.) gegen diese Kürzung, indem sie zusätzlich zu einem seinerzeit gewährten Urlaub drei Tage Urlaub beantragte und die Beklagte um Mitteilung bat, ob sie „auf ihrer Rechtsposition beharren und 6 Tage Urlaub einbehalten” werde.

Zwischen den Parteien ist nicht streitig, daß es zur Gewährung von nur 30 Urlaubstagen im Kalenderjahr 1996 einschließlich des Übertragungszeitraumes gekommen ist.

Mir der am 16.08.1996 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage hat die Klägerin zunächst den Antrag angekündigt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin noch 6 Werktage Urlaub aus den Jahresurlaubsanspruch aus dem Jahre 1995 zu gewähren.

Mit am 06.02.1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin unter Hinweis darauf, daß sich in die Klageschrift ein Schreibfehler eingeschlichen habe, den Antrag gestellt,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aus dem Urlaubsjahar 1996 noch 6 Werktage Urlaub zu gewahren.

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

Sie hat bestätigt, daß es sich bei den geltend gemachten Urlaubsansprüchen ausschließlich um solche aus dem Urlaubsjahr 1996 handele. Sie hat aber die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Anspruch stehe der Klägerin nach §7 Ziff. 2.1 MTV nicht zu, zumindest sei er verfallen.

Mit Urteilt vom 13.05.1997 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, den Streitwert auf 650,00 DM festgesetzt und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, die „Kürzungsmöglichkeit” gem. §7 Ziff. 2.1 MTV bestehe lediglich für das Eintrittsjahr. Das ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang der Tarifvorschrift. Danach müsse Abs. 2.1 als eine einheitliche Regelung für das Eintrittsjahr verstanden werden. Die gegenteilige Auslegung der Beklagten würde bei einer Krankheit außerhalb des Eintrittsjahres dazu führen, daß durch unverschuldete Arbeitsunfähigkeit der tarifliche Urlaubsanspruch bis auf den gesetzlichen Mindestanspruch gekürzt werde. Das würde bei einem Arbeitsunfall zu grob unbilligen Ergebnissen führen. Die Auslegung der Beklagten würde außerdem zu dem widersinnigen Ergebnis führen, daß beispielsweise der Urlaubsmonat, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich nicht mehr als die Hälfte der für diesen Monat festgelegten Arbeitstage gearbeitet habe, wiederum gekürzt werden könnte. Dasselbe würde für rechtmäßig in Anspruch genommene Kuren oder für einen Bildungsurlaub gelten. Da die Klägerin den Urlaubsanspruch für das Jahr 1996 mit ihrem Schreiben vom 22.07.1996 auch rechtzeitig geltend gemacht habe, sei die Beklagte mit der Urlaubsgewährung in Verzug geraten, so daß die Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Form eines Ersatzurlaubsanspruchs habe.

Gegen dieses ihr am 08.08.1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 28.08.1997 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz (tele-fax) Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung ...

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