Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Kürzung einer Sondervergütung für Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Handelt es sich bei einer Sonderzahlung um Arbeitsvergütung für geleistete Arbeit, ist eine Kürzung nach § 4a EFZG nicht möglich.

2. Die Sonderzahlung ist jedoch - ohne gesonderte ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung - für die Zeiten zu kürzen, in denen infolge Arbeitsunfähigkeit kein Entgeltfortzahlungsanspruch bestand.

 

Normenkette

EFZG § 4a

 

Verfahrensgang

ArbG Nienburg (Entscheidung vom 19.04.2018; Aktenzeichen 2 Ca 409/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 19. April 2018 - 2 Ca 409/17 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 999,38 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Beklagte zu 51% und die Klägerin zu 49%.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 68% und die Klägerin zu 32%.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sonderzuwendung für das Jahr 2017.

Die Klägerin, die mit Wirkung vom 16. März 2017 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wurde, ist bei der Beklagten seit dem 1. April 2007 als Logistikfachkraft beschäftigt. Ihr monatliches Bruttoarbeitsentgelt belief sich im Jahr 2017 auf 1.950,00 € bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden. Ab dem Jahr 2018 erfolgte eine Erhöhung des Monatsentgelts um 40,00 € brutto auf 1.990,00 € brutto.

Seit dem Jahr 2007 zahlte die Beklagte der Klägerin - wie auch anderen Arbeitnehmern - mit dem Arbeitsentgelt für November ein Weihnachtsgeld. Grundlage der Berechnung des Weihnachtsgeldes war ein Betrag in Höhe von 100% eines Bruttomonatsentgelts. Aufgrund arbeitsunfähigkeitsbedingter Fehlzeiten erhielt die Klägerin im Jahr 2015 ein geringeres und im Jahr 2016 kein Weihnachtsgeld.

Unter dem 25. April 2017 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 8. Januar 2018, Bl. 29 und 30 dA). Dieser Arbeitsvertag bestimmt ua.:

"6. Für das Arbeitsverhältnis gelten ergänzend in der jeweils gültigen Fassung die Arbeitsordnung und die Allgemeinen Organisatorischen Richtlinien der C. die Ihnen bereits vorliegen."

In der Allgemeinen Arbeits- und Sozialordnung der A. vom 1. April 2017 (künftig: ASO), von der Klägerin unterschrieben am 7. April 2017 (Anlage B2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 21. Februar 2018, Bl. 94 - Bl. 106 dA), heißt es ua.:

"§ 5 Vergütung

...

(3) Die Zahlung von Gratifikationen, Prämien, Boni oder sonstigen Vergünstigungen erfolgt freiwillig, es sei denn es liegt eine schriftliche verbindliche Zusage der Gesellschaft vor. Auch wiederholte Zahlungen begründen keinen Rechtsanspruch auf deren Fortzahlung für die Zukunft.

§ 6 Freiwilliges Weihnachts- und Urlaubsgeld

(1) ...

(2) Der Arbeitgeber entscheidet für Mitarbeiter, mit denen vertraglich weder eine limitierte noch eine pauschale Abgeltung von Mehrarbeit/Überstunden vereinbart worden ist, über die Gewährung eines Weihnachtsgeldes und dessen Höhe jedes Jahr neu, mit der Maßgabe, dass auch mit einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird. Mitarbeiter, mit denen vertraglich eine limitierte oder eine pauschale Abgeltung von Mehrarbeit/Überstunden vereinbart worden ist, erhalten auch für den Fall, das anderen Mitarbeitern ein Weihnachtsgeld gewährt wird, ein solches nicht."

Die Parteien vereinbarten weder eine limitierte noch eine pauschale Abgeltung von Mehrarbeit bzw. Überstunden. Geleistete Mehrarbeit/Überstunden werden in einem Arbeitszeitkonto gemäß § 3 Abs. 6 und Abs. 7 ASO berücksichtigt.

Die Beklagte vereinbart mit Führungskräften vertraglich eine limitierte oder eine pauschale Abgeltung von Mehrarbeit/Überstunden. Aufgrund der Vergütungsstruktur für Führungskräfte wird an Führungskräfte kein Weihnachtsgeld gezahlt.

Die Klägerin ist seit dem 27. Juli 2017 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Diese Arbeitsunfähigkeit geht auf eine psychische Erkrankung zurück. Der Entgeltfortzahlungszeitraum endete am 6. September 2017. Seit dem 7. September 2017 zahlt die Beklagte keine Entgeltfortzahlung an die Klägerin.

Am 15. November 2017 teilte die Beklagte ihren Arbeitnehmern durch Veröffentlichung im Intranet Folgendes mit (Anlage zur Klage vom 11. Dezember 2017, Blatt 12 dA):

"Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter,

wir haben beschlossen, eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 75% eines Monatsgehaltes (anteilig bei unterjährigem Firmeneintritt) mit dem Gehalt für November zur Auszahlung zu bringen.

Bis auf Widerruf wird ab dem 20. Arbeitsunfähigkeitstag bei jeder jährlichen evtl. zur Auszahlung zu bringenden Weihnachtsgratifikation eine anteilige Kürzung vorgenommen.

Für...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge