Rechtsmittel eingelegt unter dem Aktenzeichen: 8 AZR 312/10
Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Umgehung. Kündigungsfrist. Transfergesellschaft. Umgehung des § 613 a BGB durch Einschaltung einer Transfergesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Parallelverfahren zu 7 Sa 779/09
Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Insolvenzverwalter und die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft für lediglich 1 Tag ist vorliegend wegen Umgehung des § 613 a BGB unwirksam.
2. Bei der Berechnung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB ist eine lediglich eintägige tatsächliche und rechtliche Unterbrechung der Beschäftigung des Klägers unschädlich.
Normenkette
BGB §§ 613a, 622
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Urteil vom 12.05.2009; Aktenzeichen 7 Ca 394/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 12.05.2009, 7 Ca 394/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 20.08.2008 zum 30.09.2008 oder zum 31.01.2009 beendet worden ist.
Der am 00.00.1953 geborene Kläger war ab dem 25.10.1995 bei A. GmbH als Werkzeugmacher beschäftigt. Über das Vermögen dieser zwischenzeitlich in AE. GmbH umbenannten Firma wurde im Jahre 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit Schreiben vom 12.08.2004 (Bl. 433, 434 d.A.) wurden der Kläger und die anderen Mitarbeiter der Firma AE. GmbH davon unterrichtet, dass die Firma E. GmbH gegründet wurde und aus der Insolvenz die notwendigen Aktiva erworben habe, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien nunmehr bei der E. GmbH beschäftigt.
Am 01.12.2005 wurde über das Vermögen der Firma E. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter vereinbarte am 20.03.2006 mit dem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung über die Schaffung von Auffangstrukturen, die zugleich ein Interessenausgleich und Sozialplan ist” sowie eine „Zusatzvereinbarung für den Fall der übertragenden Sanierung”, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 231 bis 269 d.A.).
Am 27.03.2006 unterzeichnete der Kläger insgesamt 6 ihm vorgelegte Fassungen eines dreiseitigen Vertrages, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der insolventen Firma und einen Wechsel in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft M. GmbH zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorsahen. Der von der Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgelegte Vertrag, der neben der Unterschrift des Klägers auch jeweils eine Unterschrift für den Insolvenzverwalter und die M. GmbH enthält (Bl. 57 bis 63 d.A.), enthält u. a. folgende Regelungen:
Individuelle Daten für diesen Vertrag
Tag der Beendigung: |
31.05.2006 |
Eintrittsdatum M.: |
01.06.2006 |
Austrittsdatum M.: |
28.02.2007 |
Verweildauer: |
7 Monate |
Bemessungsgrundlage (Bruttomonatseinkommen): |
2.072,74 EUR |
§ 1 Wechsel in die M.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Firma
In Kenntnis der in der Vorbemerkung genannten Vereinbarung beende ich hiermit mein Arbeitsverhältnis mit der Firma aus betriebsbedingten Gründen – von dieser veranlasst und gewollt – einvernehmlich zum Tage der Beendigung, 24.00 Uhr (Datum siehe S. 1).
Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der M.
Gleichzeitig wechsle ich mit Wirkung zum Eintrittsdatum (Datum siehe S. 1), 0.00 Uhr, in ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der M. (betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit Firma E. GmbH (beE „E.”)).
Belehrung
Ich bin darüber aufgeklärt worden, dass eine Übernahme in die M. nur in Frage kommt, wenn ich gleichzeitig das Beschäftigungsverhältnis mit der Firma beende; allerdings wird die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber erst in dem Moment und nur dann wirksam, wenn die M. diesen 3-seitigen Vertrag unterzeichnet. Für das Inkrafttreten des 3-seitigen Vertrages ist der Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Vertrages durch die M. maßgeblich. Dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber werden nachfolgend die für die jeweilige Vertragspartei bestimmte Abschrift des 3-seitigen Vertrages von der M. lediglich zur Kenntnisnahme und zum Verbleib übersandt. …
Eine unterschriebene Ausfertigung dieses Vertrages ist dem Kläger nicht zugegangen. Die Unterschrift durch die Firma M. erfolgte nach der Behauptung der Beklagten 2 Tage vor dem 31.05.2006 durch deren Geschäftsführer S..
Alle Arbeitnehmer erwarben einen Abfindungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter, auf den ein Abschlag gezahlt wurde.
Die Beklagte erwarb durch Kaufvertrag vom 09.05.2006 das Betriebs-/Anlagevermögen der Insolvenzschuldnerin ohne Grundstück und Personal. Den Beschäftigten der insolventen Firma wurden von dem Insolvenzverwalter befristete und unbefristete Muster-Arbeitsverträge der Beklagten vorgelegt mit dem Hinweis, dass keine Sicherheit und kein Anspruch darauf bestehe, dass auch tatsächlich das Angebot der Arbeitnehmer auf Abschluss des vorberei...