Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Schichtplan. Regelmäßige Arbeitszeit
Leitsatz (redaktionell)
Die Tariföffnungsklausel des § 4 Abs. 4 EFZG lässt keine tarifliche Regelung zu, nach der eine Entgeltfortzahlung der für den Arbeitnehmer maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit nur in Höhe von 82,3 % vorgesehen ist.
Normenkette
EFZG § 4 Abs. 1a, 4, § 12; TVG § 1; BUrlG § 13
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 8.8.2002 – 1 Ca 374/01 – wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
- das Urlaubsentgelt des Klägers für seinen gesetzlichen Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz und gem. §125 SGB IX dann, wenn er während des Urlaubs 35 wöchentliche Arbeitsstunden und darüber hinaus geleistet hätte, nach einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden zu berechnen.
- die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall dann, wenn der Kläger in den 12 Monaten vor der Erkrankung wöchentlich 35 Stunden oder darüber hinaus gearbeitet hatte, nach dem Arbeitslohn für 35 Stunden zu berechnen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 30 % der Kläger und zu 70 % die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch um die Feststellung der Verpflichtungen der Beklagten, einerseits das Urlaubsentgelt des Klägers, andererseits die Entgeltfortzahlung des Klägers im Krankheitsfall nach seiner wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden zu berechnen. Die weitergehende Klage auf Zahlung von Entgeltfortzahlung und Vergütung tariflichen Urlaubs und den Hilfsantrag auf Gutschrift von 2,5 Stunden auf sein Freizeitkonto pro Woche Urlaub wie auch pro Woche Krankheit hat der Kläger zurückgenommen.
Der am … geborene verheiratete Kläger ist Schwerbehinderter und seit 1979 im Nutzfahrzeug-Werk … der Beklagten als Oberflächenbearbeiter im Rohbau zu einem Stundenlohn in der Zeit ab 1.1.2001 von 18,11 EUR und ab 1.2.2002 von 18,49 EUR beschäftigt. Einzelvertraglich nahmen die Parteien die jeweils geltenden Firmentarifverträge in Bezug 1990 trat der Kläger aus der … aus, der er bis dahin angehört hatte. Bei der Beklagten gilt der Manteltarifvertrag vom 14.7.1997, gültig ab 1.8.1997, der Standort-Tarifvertrag vom 28.9.1995, gültig ab 1.1.1996 und der Tarifvertrag über die Arbeitszeit vom 12.9.1992, gültig ab 1.4.1993.
Nach §2.1.1 Standort-TV beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 28,8 Stunden in der Woche im Jahresdurchschnitt. Tatsächlich arbeitete der Kläger seit 1996 regelmäßig 37,5 Stunden in der Woche, von denen 35 Stunden jeweils vergütet und die restlichen 2,5 Stunden seinem Freizeitkonto gutgeschrieben wurden. Dieses Freizeitkonto ist nahezu ausgeglichen. Die Stundengutschriften auf diesem Freizeitkonto erfolgen nach einer bestehenden Betriebsvereinbarung.
Nach §6.3.1 MTV berechnet die Beklagte die Urlaubsvergütung des Klägers nach dem Entgelt, das er erhalten würde, wenn er in der betriebsüblichen regelmäßigen Arbeitszeit, die nach den jeweils gültigen Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen festgelegt ist, gearbeitet hätte.
Nach §8.2 MTV gewährte die Beklagte dem Kläger Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit in Höhe des Betrags, den er in der für ihn maßgeblichen Arbeitszeit nach Schichtplan erhalten würde, wenn er nicht an der Arbeitsleistung verhindert wäre. Demzufolge gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 23.2. bis 24.3.2001 Entgeltfortzahlung auf der Grundlage einer Arbeitsleistung von 28,8 Stunden in der Woche.
5 Resturlaubstage aus dem Jahre 2001, die der Kläger im 1. Quartal 2002 erhielt, rechnete die Beklagte ebenfalls auf der Grundlage einer Arbeitsleistung von 28,8 Stunden in der Woche ab.
Erstmals mit Schreiben vom 5.6.2001 verlangte der Kläger für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit und die gewährten Resturlaubstage Entgeltfortzahlung und Urlaubsentgelt auf der Grundlage der von ihm tatsächlich gearbeiteten 37,5 Stunden in der Woche. Diese Ansprüche wies die Beklagte mit Schreiben vom 15.6.2001 nicht ausdrücklich zurück und hat die Erklärung abgegeben, sich hinsichtlich der Entgeltfortzahlungs- und Urlaubsvergütungsansprüche des Klägers bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits nicht auf tarifliche Ausschlussfristen berufen zu wollen.
Der Kläger hat solche Ansprüche erstinstanzlich beziffert geltend gemacht auf der Grundlage von 37,5 wöchentlichen Arbeitsstunden unter Anrechnung der erhaltenen Vergütung auf der Grundlage von 28,8 wöchentlichen Arbeitsstunden.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die von ihm regelmäßig geleisteten 37,5 wöchentlichen Arbeitsstunden seien seine regelmäßige Arbeitszeit nach Schichtplan. Die geleisteten...