Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung. ergänzend. gespalten. Rentenformel. Versorgungszusage. Betriebsrente

 

Leitsatz (amtlich)

Die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze nach § 275 c SGB VI im Jahr 2003 kann bei einer Versorgungszusage mit gespaltener Rentenformel auch dann zu einer durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließenden Regelungslücke führen, wenn der Zweck der gespaltenen Rentenformel, einen erhöhten Versorgungsbedarf für den oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Teil des Entgelts abzudecken, in der Versorgungszusage nicht ausdrücklich genannt ist.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; SGB VI § 275c

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Urteil vom 09.02.2011; Aktenzeichen 3 Ca 480/10 B)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 09.02.2011 – 3 Ca 480/10 B – wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 09.02.2011 verurteilt, an den Kläger weitere 803,46 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 133,91 EUR seit dem 01.01.2011, 01.02.2011, 01.03.2011, 01.04.2011, 01.05.2011 und 01.06.2011 zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 8/13 und der Kläger zu 5/13.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der an den Kläger zu zahlenden monatlichen Betriebsrente.

Der am 00.00.1945 geborene Kläger war vom 01.05.1982 bis zum 31.03.2008 bei den Rechtsvorgängern der Beklagten beschäftigt. Seit dem 01.10.2010 bezieht er eine gesetzliche Rente. Daneben erhält er eine Altersrente auf Grundlage eines Versorgungsplans vom 01.07.1982. Dieser Versorgungsplan, wegen dessen Inhalts im Übrigen auf die mit der Klageschrift überreichte Kopie (Bl. 5 – 19 d.A.) Bezug genommen wird, enthält u.a. folgende Regelungen:

„4.1.2 Rentenhöhe

Die jährliche Altersrente beträgt:

0,5 % des Entgelts bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze plus

1,75 % des Teils des Entgelts, um den dieses die Beitragsbemessungsgrenze übersteigt.

multipliziert mit der Anzahl der Jahre und vollen Monate der anrechnungsfähigen

Dienstzeit.

Eine einmal erreichte Rentenanwartschaft darf durch eine spätere Erhöhung der

BBG nicht mehr vermindert werden.”

Die Beklagte errechnete für den Kläger bei anrechenbaren Jahresbezügen in Höhe von 98.172,00 EUR eine Altersrente in Höhe von monatlich 1.993,39 EUR. Als Beitragsbemessungsgrenze zum Zeitpunkt des Ausscheidens legte sie einen Betrag von 63.600,00 EUR zugrunde, wobei auch die außergewöhnliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 von 57.600,00 EUR jährlich auf 63.600,00 EUR berücksichtigt wurde.

Bei einer um 6.000,00 EUR reduzierten Beitragsbemessungsgrenze (also beim Herausrechnen der außergewöhnlichen Anhebung) ergäbe sich für den Kläger unstreitig eine um 161,98 EUR höhere monatliche Betriebsrente. Aus der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze resultiert für ihn gleichzeitig ein Vorteil bei der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 28,07 EUR brutto monatlich. Den sich ergebenden Differenzbetrag in Höhe von 133,91 EUR macht der Kläger mit der vorliegenden Klage geltend.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, nach den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 21.04.2009 sei bei gespaltenen Rentenformeln nicht die tatsächliche Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Jahr 2008 in Höhe von 63.600,00 EUR, sondern eine um 6.000,00 EUR reduzierte Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 267,82 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 133,91 EUR seit dem 01.11.2010 und 01.12.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die genannten Urteile des Bundesarbeitsgerichts seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In den damals zu entscheidenden Fällen seien die Arbeitnehmer in zeitlicher Nähe zur Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 ins gesetzliche Rentenalter gekommen. Im Fall des Klägers seien jedoch seitdem über sieben Jahre vergangen. Sie (die Beklagte) habe es in dieser Zeit ausdrücklich unterlassen, die Versorgungsordnung zu ändern. Vielmehr habe sie durch entsprechende Berechnung der Renten ausdrücklich ihren Willen zum Ausdruck gebracht, am Wortlaut des Versorgungsplans festzuhalten. Der Kläger habe seinerseits ausreichend Zeit gehabt, seit 2003 verstärkte Maßnahmen der Eigenvorsorge zu treffen. Außerdem sei durch den zeitlichen Abstand zur Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 die Versorgungssituation durch den Anstieg der Gehälter kompensiert worden. Gegen eine Regelungslücke spreche im Übrigen auch, dass die Versorgungsordnung für wesentliche Änderungen bei Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechende Modifikationsmöglichkeiten vorsehe.

Durch Urteil vom 09.02.2011 hat d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge