Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung vor Entscheidung über Neuvergaben eines Bewachungsauftrags

 

Leitsatz (amtlich)

Entscheidet der Arbeitgeber, einen nicht (mehr) rentablen Auftrag (hier: Bewachungsauftrag) vor dem vereinbarten Vertragsende zu kündigen, muss er bei einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung grundsätzlich selbst dann von einem dauerhaften Auftragsverlust ausgehen, der einen nicht nur vorübergehenden Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten nach sich zieht, wenn er sich zu erhöhten Preisen um den erneut ausgeschriebenen Auftrag bewirbt (in Abgrenzung zu BAG 12.04.2002 – 2 AZR 256/01: Beteiligung an der Neuausschreibung während eines noch laufenden ungekündigten Reinigungsauftrags; wie hier LAG Niedersachsen 30.07.2001 – 11 Sa 234/01 n.v.).

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 12.12.2000; Aktenzeichen 2 Ca 821/00)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 12.12.2000 – 2 Ca 821/00 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigungen der Beklagten zum 31.03.2001 beendet worden ist.

Der Kläger war seit 1991 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in W. als Wachmann beschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt 4.952,37 DM. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande Niedersachsen Anwendung. Weiter ist das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.12.1996 geregelt, in dem unter Ziffer 10 der Vertragsbedingungen Folgendes festgelegt ist:

„Der Arbeitnehmer unterliegt hinsichtlich seines Arbeitseinsatzes dem betrieblichen Direktionsrecht. Er kann auf vergleichbaren wechselnden Arbeitsstellen beschäftigt werden.

Dienstzeiten und Orte werden zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer in gegenseitiger Absprache festgelegt. Diese Absprache bedarf nicht der Schriftform.”

Die Parteien haben auf dem Formular des Arbeitsvertrages unter der Rubrik „Beschäftigungsort” keine Eintragung vorgenommen. Sie haben sich mündlich darauf geeinigt, dass der Kläger für die … in S. eingestellt wird.

Die Beklagte betreibt insgesamt an 13 Standorten ein Bewachungsgewerbe. Zur Niederlassung O. gehörten bis zum August 2000 auch die sechs Objekte am Standort W. mit insgesamt 67 Arbeitnehmern.

Mit Schreiben vom 26.05.2000 kündigte die Standortverwaltung W. die Bewachungsaufträge für zwei … Bewachungsobjekte zum 31.08.2000 ganz und für ein weiteres zum Teil, was zur Kündigung von 24 Mitarbeitern der Beklagten in W. führte. Mit Schreiben vom 14.07.2000 kündigte die Beklagte gegenüber der Standortverwaltung W., um für die noch bestehenden Bewachungsaufträge insgesamt bessere Konditionen zu erhalten.

Die Bewachungsobjekte wurden von der Standortverwaltung W. erneut ausgeschrieben. Die Beklagte gab ein Angebot mit aus ihrer Sicht besseren Konditionen ab, erhielt die Aufträge aber nicht.

In der Folgezeit kündigte die Beklagte allen in W. beschäftigten Arbeitnehmern. Der Kläger erhielt Kündigungen vom 18.07.2000, vom 23.08.2000 sowie vom 26.09.2000 zum 31.03.2001. Die dagegen gerichteten Klagen bzw. Klageerweiterungen gingen am 02.08., 13.09. und 23.10.2000 beim Arbeitsgericht Wilhelmshaven ein.

Im Zuge jeder Kündigungswelle zeigte die Beklagte dem Arbeitsamt W. die Massenentlassung nach § 17 KSchG an, zuletzt mit Schreiben vom 23.02.2001. Der auf den letzten Antrag bezogene positive Bescheid des Arbeitsamts W., der der Beklagten vorab mündlich mitgeteilt worden ist, datiert vom 06.03.2001.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er hat bestritten, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingt hätten. Er hat ferner die fehlende Bevollmächtigung des die Kündigung vom 18.07.2000 unterzeichnenden … P. gerügt und schließlich den Standpunkt eingenommen, die Kündigungen seien auch nach § 102 BetrVG unwirksam, weil die Beklagte den Betriebsrat nicht angehört habe.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 18.07.2000 zum 31.03.2001 sein Ende finden werde, sondern darüber hinaus fortbestehe,
  2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 23.08.2000 zum 31.03.2001 sein Ende finden werde,
  3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 26.09.2000 zum 31.03.2001 sein Ende finden werde.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse sozial gerechtfertigt. Nach der Kündigung der Bewachungsaufträge durch sie habe eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers am Standort W. nicht mehr bestanden. Sie...

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