Entscheidungsstichwort (Thema)
Unechtes Versäumnisurteil. Geltung tariflicher Auschlussfrist bei Rückzahlungsanspruch nach Insolvenzanfechtung. Zeitliche Grenzen der Rückforderung von Arbeitslohn nach erfolgter Insolvenzanfechtung. Zeitpunkt der Fälligkeit des Rückgewähranspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Bei dem Anspruch auf Rückgewähr von Vergütung nach einer erfolgten Insolvenzanfechtung handelt es sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, für den die Ausschlussfrist des für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrages für das Maler- und Lackiererhandwerk gilt.
2. Der Rückgewähranspruch nach § 142 InsO wird mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig. Er ist zu diesem Zeitpunkt auch objektiv feststellbar und kann von dem Insolvenzverwalter schriftlich geltend gemacht werden.
3. Der im Streit stehende Anspruch des Klägers war mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.04.2007 objektiv feststellbar und konnte von dem Insol-venzverwalter auch innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist schriftlich geltend gemacht werden.
4. Aus der dreijährigen Verjährungsfrist des § 146 Abs. 1 InsO folgt nicht, dass dem Insolvenzverwalter in allen Fällen dieser Zeitraum zur Prüfung und Geltendmachung seiner Ansprüche zustehen muss. Vielmehr muss er den Besonderheiten eines Arbeitsverhältnisses Rechnung tragen und in eigenem sowie im Interesse des Arbeitnehmers, das insbesondere darin liegt, seine Ansprüche auf Insolvenzgeld rechtzeitig geltend zu machen, auf das Arbeitsverhältnis anwendbare tarifvertragliche Ausschlussfristen beachten.
Normenkette
InsO §§ 129, 143, 146
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 12.05.2011; Aktenzeichen 4 Ca 379/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 12.05.2011, 4 Ca 379/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob tarifvertragliche Ausschlussfristen auf Ansprüche des Insolvenzverwalters aus § 143 InsO anwendbar sind.
Der Beklagte war bei der S. GmbH beschäftigt. Über das Vermögen dieser Firma wurde gemäß Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 30.04.2007 (Bl. 11, 12 d.A.) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Vorausgegangen war ein Insolvenzantrag der AOK vom 09.02.2007 (Bl. 13, 14 d.A.), der beim Insolvenzgericht am 12.02.2007 eingegangen war.
Der Beklagte erhielt von seiner Arbeitgeberin in den letzten 3 Monaten vor Stellung des Insolvenzantrags im Rahmen der Zwangsvollstreckung am 12.01.2007 500,00 €, am 08.02.2007 weitere 500,00 € sowie am 12.03.2007 535,20 €.
Mit Schreiben vom 20.09.2010 (Bl. 19 - 21 d.A.) erklärte der Kläger die Anfechtung dieser Zahlungen gemäß §§ 129, 131 Abs. 1 InsO und forderte die genannten Beträge nebst Zinsen seit Verfahrenseröffnung bis zum 11.10.2010 zurück.
Das Arbeitsgericht hat die auf Zahlung von 1.535,20 € nebst Zinsen gerichtete Klage durch ein dem Kläger am 29.06.2011 zugestelltes Urteil vom 12.05.2011, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 43 - 48 d.A.), abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27.09.2010 (GmS-OGB 1/09) handele es sich bei dem Rückgewähranspruch gemäß § 143 Abs. 1 InsO um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Der Anspruch unterliege deshalb der Ausschlussfrist des für allgemein verbindlich erklärten Rahmentarifvertrages für das Maler- und Lackiererhandwerk. Diese tarifvertragliche Ausschlussfrist sei von dem Kläger nicht gewahrt worden.
Hiergegen richtet sich die am 19.07.2011 eingelegte und am 22.08.2011 begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger ist der Auffassung, nach dem zutreffenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.11.2003 (10 AZR 110/03) seien tarifvertragliche Ausschlussfristen auf Ansprüche des Insolvenzverwalters aus § 143 Abs. 1 InsO nicht anwendbar. Hieran habe der Beschluss des gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27.09.2010 nichts geändert. Durch diese Entscheidung sei lediglich der Zuständigkeitsstreit zwischen dem 9. Zivilsenat des BGH und dem 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts geklärt worden.
Im Übrigen sei der Rechtsanspruch auf Rückgewährung tatsächlich auch nicht verfallen. Die Ausschlussfrist des § 49 RTV stelle auf die Fälligkeit der beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ab. Ein Anspruch werde jedoch grundsätzlich erst fällig, wenn er vom Gläubiger feststellbar sei und geltend gemacht werden könne.
Dem Insolvenzverwalter werde nach der Insolvenzordnung ein dreijähriger Prüfungszeitraum zur Feststellung insolvenzrechtlicher Anfechtungsansprüche eingeräumt. Hierdurch solle dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit gegeben werden, umfassend und intensiv zu prüfen, ob Sachverhalte gegeben sind, die der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ...