Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhalt und Reichweite des Herausgabeanspruchs nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO. Bagatellschaden als immaterieller Schaden i.S.v. Art. 82 DS-GVO
Leitsatz (amtlich)
1. Der Herausgabeanspruch nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO bezieht sich allein auf die Daten, auf die das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO gerichtet ist.
2. Der Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens nach Art. 82 DS-GVO erfordert nicht das Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle.
Normenkette
BDSG § 29 Abs. 1 S. 2, § 34 Abs. 1; DS-GVO Art. 12, 15, 82; BDSG § 83
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 11.05.2020; Aktenzeichen 8 Ca 451/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers unter Zurückweisung seiner weitergehenden Berufung und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 11.05.2020 - 8 Ca 451/18 - teilweise abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 34.915,-- Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 420.000,-- Euro vom 01.07.2019 bis zum 20.03.2020 sowie auf 34.915,-- Euro seit dem 21.03.2020 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich eines mit dem erstinstanzlichen Klageantrag zu 6) verfolgten Betrages in Höhe von 385.085,-- Euro erledigt ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger immateriellen Schadensersatz in Höhe von 1.250,-- Euro zu zahlen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 8 % und die Beklagte zu 92 % zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen für die auf Schadensersatz wegen datenschutzrechtlicher Verstöße gerichteten Anträge (Klageantrag 3. nebst Hilfsantrag des Klägers im Berufungsverfahren). Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Klägers sowie daraus resultierende Schadensersatzansprüche der Beklagten, ferner um Freistellung von Rechtsanwaltskosten, restliche Bonusansprüche für das Jahr 2018 und Schadensersatzansprüche wegen behaupteten datenschutzwidrigen Verhaltens.
Der am 21.12.1964 geborene und verheiratete Kläger ist seit dem 01.04.1991 bei der Beklagten beschäftigt. Ab April 2000 war der Kläger ausweislich des Arbeitsvertrages vom 29.03.2000 (Bd. I, Bl. 36 - 40 dA) im Bereich der Technischen Entwicklung für die Entwicklung des Automatikgetriebes mitverantwortlich und von Juli 2004 bis Oktober 2006 verantwortlich für die Getriebeentwicklung. Ab dem 01.11.2006 bis zum 31.08. bzw. 30.09.2010 hatte der Kläger die Funktion des Hauptabteilungsleiters Entwicklung Aggregate Diesel (im Folgenden: EAD) inne. Er war in dieser Funktion zuständig für die Entwicklung von Dieselmotoren bis zur Serienreife. Es existiert eine Stellenbeschreibung vom 17.12.2009 (Bl. 30 - 33 Anlageordner), wobei streitig ist, ob diese zwischen den Parteien abgestimmt war. Seit September 2010 war der Kläger verantwortlich für das Geschäftsfeld Motor und übernahm zeitgleich die Leitung des Werkes der Beklagten in S. Zugrunde lag der Änderungsvertrag vom 29.08.2011 (Bd. I, Bl. 41 - 45 dA). Zum 01.05.2014 wurde der Kläger in das Geschäftsfeld Getriebe und Gießerei versetzt und übernahm zudem die Leitung des Werkes K. B. (Schreiben der Beklagten vom 07.03.2014; Bd. I, Bl. 46 dA). Das Bruttojahreseinkommen des Klägers belief sich zuletzt auf ca. 500.000,00 Euro, was sich aus einem monatlichen Fixgehalt in Höhe von 18.000,00 Euro brutto und einer variablen Vergütung zusammensetzte.
Das Unternehmen der Beklagten ist nach Marken organisiert. Für die Marke V. ist unterhalb des Vorstandes im aktienrechtlichen Sinne ein Markenvorstand eingerichtet. Für die Marke V. ist ein für den Bereich Technische Entwicklung (im Folgenden: TE) zuständiges Mitglied des Markenvorstands eingesetzt. Diese Position bekleidete im Zeitraum von 2007 bis Juni 2013 Herr Dr. H. An den Markenvorstand TE berichtet der Bereichsleiter Entwicklung Aggregate (im Folgenden: EA). Mit dieser Funktion betraut war im Zeitraum von Mai 2005 bis April 2007 Herr Dr. K., von Mai 2007 bis September 2011 Herr Dr. Ha. und von Oktober 2011 bis Juni 2013 Herr Dr. N. Vorstandsvorsitzender war während der Zeit der Tätigkeit des Klägers als Hauptabteilungsleiter EAD Herr Prof. Dr. W. Der Bereich EA umfasst neben der Hauptabteilung des Klägers EAD unter anderem die Hauptabteilungen Antriebselektronik (EAE) sowie Aggregate Testcenter (EAS). Unterhalb der Hauptabteilungen sind Abteilungen und Unterabteilungen organisiert, im Falle des Klägers umfasste die Hauptabteilung EAD ca. 200 Beschäftigte. Ferner unterscheidet die Beklagte in ihrem Karrieresystem zwischen Tarifmitarbeitenden und Mitarbeitenden im Management. Auf der Managementebene bestehen die Karrierestufen Management-Kreis (MK), Oberer-Management-Kreis (OMK) sowie Top-Management-Kreis (TMK). Zum 01.09.2011 wurde der Kläger in die Karrierestufe TMK berufen.
In den Verantwortungsbereich der Hauptabteilung EAD...