Entscheidungsstichwort (Thema)
Jahressonderzahlung. betriebliche Übung. abändernde betriebliche Übung. akzessorisch. Gesamtschuldner. Sicherungsrecht. Haftungsbeschränkung. Insolvenzverwalter. Konkursverwalter. Ausschlussfrist. Nachwirkung. Tarifvertrag. Haftung des Konkursverwalters als Betriebsveräußerers für Ansprüche auf Jahressonderzahlung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Nachwirkung eines Tarifvertrages erstreckt sich nicht auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis erst im Nachwirkungszeitraum begründet wird.
2. Eine vor Eröffnung des Konkursverfahrens bestehende betriebliche Übung wird nicht zwingend dadurch abgeändert, dass der Konkursverwalter während des 11-jährigen Konkursverfahrens Sonderzahlungen jeweils nur entsprechend den jeweiligen wirtschaftlichen Gegebenheiten gewährt. Aus der widerspruchslosen Entgegennahme einer gekürzten Sonderzahlung durfte der Konkursverwalter unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles objektiv nicht schließen, dass sich die Arbeitnehmer mit einer Änderung des Inhaltes des Arbeitsvertrages auf Dauer einverstanden erklärt haben. Ihr Einverständnis kann vielmehr nur auf das jeweilige Jahr der Sonderzahlung bezogen werden.
3. Die Haftung des Betriebsveräußerers nach § 613a Abs. 2 BGB ist nicht entsprechend den akzessorischen Sicherungsrechten zu behandeln und führt nicht zu einer Beschränkung der Haftung des Betriebsveräußerers entsprechend § 767 Abs. 1 BGB. Ein mit dem Betriebserwerber vereinbarter Erlass wirkt deshalb gemäß § 423 BGB nur dann auch für den Betriebsveräußerer, wenn die Vertragsschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollten.
4. Der Konkursverwalter ist dazu verpflichtet, sämtliche ihm als Arbeitgeber obliegenden Pflichten zu erfüllen. Erfüllt er während seiner Amtstätigkeit diese Verbindlichkeiten schlecht, nicht rechtzeitig oder gar nicht, so stellen die sich daraus ergebenden Schadensersatzansprüche lediglich Masseverbindlichkeiten dar, für die die Masse haftet. Eine persönliche Haftung wird nur in den Fällen angenommen, in denen der Konkursverwalter in besonderem Maß ein persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat.
Normenkette
TVG § 4; BGB § 613a Abs. 2, § 767
Verfahrensgang
ArbG Göttingen (Urteil vom 09.05.2007; Aktenzeichen 3 Ca 507/06) |
Tenor
Die Berufung des Klägers und die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 09.05.2007, 3 Ca 507/06, werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 93 % und der Beklagte zu 1) zu 7 %. Von den außergerichtlichen Kosten tragen der Kläger die des Beklagten zu 2) voll und jeweils 93 % der des Beklagten zu 1) sowie der eigenen, der Beklagte zu 1) die eigenen und die dem Kläger erwachsenen Kosten jeweils zu 7 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung für die Jahre 2003 bis 2005 zusteht.
Der 1958 geborene Kläger war seit dem 01.01.1992 bei der Firma A. GmbH, die ein Sägewerk und Holzhandel mit ca. 280 Arbeitnehmern betrieb, beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht.
Über das Vermögen der Firma A. GmbH wurde am 01.02.1995 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Konkursverwalter bestellt. Der Beklagte zu 1) führte das Unternehmen bis zum 20.02.2006 fort.
Die Gemeinschuldnerin gehörte bis zum 31.12.1989 dem Sägewerksverband an, nach einem Unternehmensverkauf erfolgte der Austritt aus dem Verband. Sie zahlte bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens an alle Arbeitnehmer ein Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld in tariflicher Höhe. Der Kläger ist seit 1993 Gewerkschaftsmitglied.
Für die Sägeindustrie und die übrige holzbearbeitende Industrie in Niedersachsen und Bremen existiert ein Manteltarifvertrag, der u. a. folgende Regelungen enthält:
85. |
Die Urlaubsdauer beträgt 30 Arbeitstage für alle Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden. |
95. |
Neben dem Urlaubsentgelt wird für den Erholungsurlaub nach Ziffer 85 ein zusätzliches Urlaubsgeld gewährt. Es beträgt 50% des Urlaubsentgelts. |
108. |
Alle sonstigen gegenseitigen Ansprüche sind innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen und im Falle der Ablehnung durch die andere Partei innerhalb einer Frist von 2 Monaten beim Arbeitsgericht einzuklagen. |
109. |
Nach Ablauf der angeführten Fristen sind die Ansprüche verwirkt, es sei denn, dass sie vorher durch den Arbeitnehmer oder durch den Betriebsrat schriftlich geltend gemacht bzw. eingeklagt worden sind. |
Für den Bereich der holzbearbeitenden Industrie in den Ländern Niedersachsen und Bremen gibt es zudem einen Tarifvertrag über die stufenweise Einführung eines 13. Monatsverdienstes, in dem unter anderem geregelt ist:
2.
Arbeitnehmer, die am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen mindestens 3 Monate angehören, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen als Teil eines 13. Monatsverdienstes nach Maßgabe der folgenden Be...