Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstandspflicht des Arbeitgebers für zugesagte Versorgungsleistungen bei Leistungsverweigerungsrecht des externen Versorgungsträgers. Geltung der langen Verjährungsfrist des § 18a Satz 1 BetrAVG in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG. Keine Rücksichtnahmeverpflichtung des Versorgungsberechtigten bei Klage gegen den Versorgungsträger. Beginn der kurzen Verjährungsfrist des § 18a Satz 2 BetrAVG. Keine gesamtschuldnerische Haftung bei Durchführung der Versorgung über einen externen Versorgungsträger
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers für zugesagte Versorgungsleistungen gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG besteht auch dann, wenn der mit der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung betraute externe Versorgungsträger die Versorgungsleistungen wegen Verjährung dauerhaft verweigern kann.
2. Eine teleologische Reduktion der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG ist in dem Fall, dass sich der externe Versorgungsträger auf die kurze Verjährungsfrist des § 14 VVG berufen kann nicht geboten, da dann die lange Verjährungsfrist des § 18a BetrAVG leer liefe.
3. Durch die Erhebung einer Klage gegen den externen Versorgungsträger nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 14 VVG verletzt der Versorgungsberechtigten keine gegenüber dem versorgungspflichtigen Arbeitgeber bestehende vertragliche Rücksichtnahmepflicht.
4. Die kurze Verjährungsfrist für die monatlichen Rentenzahlungen beginnt erst zu laufen, wenn der Versorgungsberechtigte endgültig gehindert ist, seine Ansprüche gegen den externen Versorgungsträger geltend zu machen, wenn nicht der Arbeitgeber neben dem externen Versorgungsträger als Gesamtschuldner haftet.
Leitsatz (redaktionell)
Eine gesamtschuldnerische Haftung ergibt sich auch weder aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG noch aus allgemeinen Grundsätzen. § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG ordnet keine Gesamtschuld an. Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG hat der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann einzustehen, wenn die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.
Normenkette
BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 3, § 18a; VVG § 14; BGB §§ 195, 199, 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 389
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 12.01.2022; Aktenzeichen 1 Ca 123/21 B) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 12.01.2022 - 1 Ca 123/21 B - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.632,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 16.657,52 EUR seit dem 26.06.2021 und auf jeweils weitere 189,29 EUR jeweils ab dem 4. Werktag der Folgemonate zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zukünftig monatlich 189,22 EUR bis zum 3. Werktag des jeweiligen Monats längstens bis zum 30.11.2032 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der am 00.00.1965 geborene Kläger war ab dem 01.01.1990 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der B. Bank AG als Kreditsachbearbeiter beschäftigt. § 3 des zwischen dem Kläger und der B. Bank geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16.01./25.01.1990 lautet wie folgt:
"Betriebliche Altersversorgung
Während der Zugehörigkeit zur B. Bank ist der Mitarbeiter als Ergänzung zu den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei dem Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiersgewerbe (AG), Berlin und Wuppertal, versichert. Die Beiträge werden von der B. Bank übernommen. Alles Weitere ergibt sich aus der Satzung und den Versicherungsbedingungen."
Wegen des weiteren Wortlauts des Arbeitsvertrages wird auf Blatt 37 bis 39 der Akte Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 16. und 26.02.2001 (Bl. 6 und 7 sowie 4 der Akte) bot die B. Bank dem Kläger die Umstellung der Altersversorgung von der BVV Pensionskasse auf die BVV Versorgungskasse an. Der Kläger nahm das Angebot nicht an. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der B. Bank AG endete zum 30.06.2003. Ab dem 01.07.2003 wurde die Versicherung des Klägers bei der B. beitragsfrei geführt. Sie sieht eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 189,29 Euro vor.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2002 stufte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ab dem 18. Februar 2002 als teilweise erwerbsgemindert ein. Mit Bescheid vom 02.01.2014 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.12.2012 befristet bis zum 30.11.2015. Seit März 2014 ist der Kläger berufsunfähig und liegen die Voraussetzungen für die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente nach der Satzung des BVV vor.
Mit Schreiben vom 17.01.2014 erkundigte sich der Kläger bei dem BVV unter Bezugnahme auf den Rentenbescheid nach dem Bestehen von Versorgungsansprüchen. Mit Schreiben vom 05.08.2014 lehnte der BVV die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ab. Im Dezember 2019 erhob der Kläger vor dem Landgeric...