Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbeschäftigung. Betriebsbedingte Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1.)
Die arbeitgeberseitige Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vor Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung beschränkt sich regelmäßig auf das Unternehmen.
2.)
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer innerhalb einer Unternehmensgruppe sind in diese Prüfung einzubeziehen, wenn der Arbeitgeber aus rechtlichen oder aus faktischen Gründen Einfluss auf einen Einsatz des Arbeitnehmers in einem anderen Unternehmen hat und der Arbeitnehmer in der Vergangenheit – ungeachtet eines fehlenden arbeitsvertraglichen Versetzungsvorbehalts – in Betrieben des anderen Unternehmens tatsächlich eingesetzt wurde.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 613a Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Urteil vom 16.12.2005; Aktenzeichen 8 Ca 253/05) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 16. Dezember 2005 – 8 Ca 253/05 – abgeändert, soweit es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 9. Mai 2005 nicht beendet wurde und die Beklagte verurteilt hat, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als bauleitenden Monteur weiterzubeschäftigen.
Die Klage wird in diesem Umfang abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger für die 1. Instanz zu ¾ und die Beklagte zu ¼. Die Kosten 2. Instanz hat der Kläger zu tragen bei einem Gebührenstreitwert von 14.072,00 EUR.
Die Revision für den Kläger wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zum 30. November 2005, insbesondere über bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten.
Der 1956 geborene Kläger ist seit dem 1. Juli 1992 bei der Beklagten als bauleitender Monteur zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 3.518,00 EUR beschäftigt. Durch zuletzt geänderten Arbeitsvertrag vom 14. Mai 2004 (Bl. 6 bis 8 d. A.) ist der Kläger gem. § 2 … „als bauleitender Monteur bei der Gesellschaft angestellt. Er ist dem Leiter der Projektabwicklung unterstellt. Die Gesellschaft behält sich vor dem Arbeitnehmer im Rahmen betrieblicher Erfordernisse andere Aufgaben zu übertragen, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen”.
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen in I, dessen Geschäftsgegenstand die Kalkulation, Planung und Terminierung von Bauvorhaben ist. Im Betrieb der Beklagten sind ständig mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt, darunter Projektabwickler, Projektleiter sowie Vertriebs- und Konstruktionsmitarbeiter. Neben dem Kläger war als weiterer bauleitender Monteur nur noch der Arbeitnehmer G für die Beklagte tätig. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die A ist 2004 von der Unternehmensgruppe S erworben worden und firmiert nunmehr am gleichen Standort als S. Am 29. April 2005 traf die Geschäftsführung der Beklagten die unternehmerische Entscheidung, spätestens ab Juni 2005 keine Bauleitung im Montagebereich mehr durchzuführen und diese Aufgaben fremd zu vergeben (Bl. 96 d. A.). Aus diesem Gesellschafterbeschluss ergibt sich, dass die Z in L mit dem Geschäftsführer S die alleinige Gesellschafterin der S ist.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2005 dem Kläger zugegangen am 11. Mai 2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. November 2005 auf. Dies geschah ebenso mit dem Arbeitsverhältnis des weiteren bauleitenden Monteurs G. Die Beklagte stellte beide Arbeitnehmer von der Erbringung der Leistung frei, wobei streitig ist, ob diese ab Juni 2005 oder bereits ab 11. Mai 2005 erfolgte.
Mit Urteil des Arbeitsgerichts vom 16. Dezember 2005 ist der Klage – soweit dies noch Gegenstand des Verfahrens im zweiten Rechtszug ist – dahin entsprochen und festgestellt worden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 9. Mai 2005 nicht beendet wurde. Die Beklagte wurde verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als bauleitenden Monteur weiterzubeschäftigen. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die zum Vorbringen der Parteien in erster Instanz verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass keine dringenden betrieblichen Erfordernisse für eine ordentliche Kündigung gegeben seien. Die Beklagte habe hinsichtlich der beabsichtigten Fremdvergabe nicht ausreichend dargelegt, dass im Zeitpunkt der Kündigung, für den Kläger ein Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses mit Ablauf der Kündigungsfrist festgestanden hätte. Hier seien Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss der Beklagten zeitlich zusammen gefallen. Eine konkrete Prognose des Beschäftigungsbedarfs für die Zukunft fehle. Es sei ferner offen, ob die Rationalisierungsentscheidung bereits zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs umgesetzt worden sei oder während de...