Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzung zur Kündigung sowie Ausschluss aus dem Betriebsrat wegen Amtsmissbrauchs und Beleidigung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beleidigung von Vorgesetzten als „Arschlöcher” stellt eine schwere verbale Entgleisung dar, durch die ein Betriebsratsvorsitzender sowohl das Arbeitsverhältnis als auch seine Amtspflicht verletzt. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung aufgrund einer solchen Verbalinjurie zu ersetzen bez. ob der Betriebsratsvorsitzende aus dem Betriebsrat auszuschließen ist.
2. Der Ausschluss aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung der gesetzlichen Pflichten kann ferner dann begründet sein, wenn der Vorsitzende des Betriebsrats im Zusammenhang mit einer seine Arbeitsleitung betreffenden Abmahnung (hier: aufgrund einer Kundenbeschwerde) eine schärfere, formalistischere Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber ankkündigt („Schluss mit dem Gentlemens Agreement”) und später betriebsöffentlich äußert, nach einer obsiegendem Entscheidung beim Arbeitsgericht werde er „so richtig auf den Putz hauen” und „der Firma zeigen, wo es langgeht.”
Normenkette
BetrVG §§ 2, 23 Abs. 1, § 78 Abs. 2, § 103 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Lüneburg (Beschluss vom 28.10.2003; Aktenzeichen 4 BV 4/03) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. (Arbeitgeberin) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 28.10.2003 – 4 BV 4/03 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung ihres Vorsitzenden sowie um dessen Ausschluss aus dem Betriebsrat. Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden:
Arbeitgeberin) betreibt in L. einen Baumarkt, der Beteiligte zu 2) ist der dort gebildete Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat).
Der Beteiligte zu 3) gehört seit dem 21.09.1999 dem Betriebsrat an und ist dessen Vorsitzender (im Folgenden: Betriebsratsvorsitzender). Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist seit dem 01.04.1995 bei der Arbeitgeberin als Verkäufer beschäftigt.
Die Arbeitgeberin ersuchte den Betriebsrat am 02.09.2003 um Zustimmung zur fristlosen Kündigung ihres Vorsitzenden, die am selben Tage verweigert wurde. Mit am 08.09.2003 beim Arbeitsgericht Lüneburg eingegangener Antragsschrift begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung sowie dessen Ausschluss aus dem Betriebsrat. Sie stützt ihre Anträge auf einen Vorfall am 26.08.2003, dessen Einzelheiten zwischen den Beteiligten streitig sind. An diesem Tag fand eine Unterredung statt, an der einerseits der Marktleiter N. sowie dessen Stellvertreter, die Herren Ne. Und L. teilnahmen und andererseits der Betriebsratsvorsitzende sowie dessen Stellvertreter. Gegenstand dieses Gesprächs war eine den Betriebsratsvorsitzenden betreffende schriftliche Kundenbeschwerde, die ihm eröffnet wurde, sowie eine daraufhin vorbereitete Abmahnung. Das Abmahnungsschreiben, wegen dessen Inhalt auf die Anlage A 3 zur Klagschrift Bezug genommen wird, wurde vom Betriebsratsvorsitzenden nicht entgegengenommen.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 23.08.2004 hielt sich der Betriebsratsvorsitzende am 25.08.2004 im Bereich des Wareneingangs auf und begegnete dort verschiedenen Kollegen, mit denen er sich unterhielt. Über dieses Gespräch berichtete der Praktikant G. der Arbeitgeberin und fasste den Inhalt unter Datum vom 08.09.2004 in folgender „Erklärung” zusammen, deren Richtigkeit er später in dem Verfahren beim Arbeitsgericht Lüneburg unter dem Aktenzeichen 3 BV 5/04 an Eides statt versicherte:
„Ich, B. Gr. habe am 25.08.2004 gegen ca. 14.00 Uhr im Wareneingang folgendes Gespräch mitbekommen. Anwesend waren die Betriebsratsmitglieder Herr H., Herr K., der Wareneingangsmitarbeiter Herr M. und meine Person. Wir waren damit beschäftigt, Holzlatten auf eine E-Ameise aufzuladen. Herr Me. kam in den Wareneingang und begann mit Herrn H. und Herrn K. ein Gespräch. Sie unterhielten sich über allgemeine Dinge und kamen dann auf eine Gerichtsverhandlung in Hannover zu sprechen. Herr Me. äußerte, dass er während der Gerichtsverhandlung „viel Spaß und viel zu Lachen hatte”.
Anschließend äußerte er, dass er mit dem Betriebsrat nach einem positiven Urteil für ihn im Markt „so richtig auf den Putz hauen” werde. Er wird der Firma „dann zeigen, wo es langgeht”.
Anschließend wurden Terminvorschläge für eine Betriebsratssitzung diskutiert. Ich habe dem Gespräch dann nicht mehr zugehört und mich um meine Arbeit gekümmert. Ob der Wareneingangsmitarbeiter Herr M. dem Gespräch zuhören konnte, kann ich nicht mehr sagen, da dieser mit verschiedenen Arbeiten im Lager beschäftigt war.”
Der Inhalt dieses Gespräches ist zwischen den Beteiligten streitig.
Die Beteiligte zu 1) hat den Verlauf des Gesprächs vom 26.08.2003 wie folgt dargestellt: Der Betriebsratsvorsitzende habe geäußert, dass der Kunde, welcher sich bei der Marktleitung beschwert habe, gelogen habe und sich „warm anziehen” müsse. Auf den V...