Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung eines Arbeitsvertrages. Abschluss eines ablösenden Geschäftsführerdienstvertrags

 

Leitsatz (amtlich)

Die Form des § 623 BGB ist gewahrt, wenn sich bei Auslegung des mit der Komplementär GmbH geschlossenen Geschäftsführerdienstvertrages der Wille der Parteien feststellen lässt, dass mit dem Abschluss des Vertrages zugleich der zuvor mit der GmbH & Co KG abgeschlossene Arbeitsvertrag aufgehoben werden soll. Die GmbH handelt in diesen Fällen mit Vollmacht der KG.

 

Normenkette

BGB § 623

 

Verfahrensgang

ArbG Stade (Urteil vom 02.11.2005; Aktenzeichen 2 Ca 390/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.07.2007; Aktenzeichen 6 AZR 875/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 02.11.2005 – 2 Ca 390/05 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und wiederholter Kündigung.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.04.2000 als Werksleiter zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 8.475,00 EUR beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 26.01.2000 enthält u. a. folgenden Passus:

„Aufgrund der Aufgabenstellung, die durch den Geschäftsführer vorgegeben ist und der Position, ist Herr S. leitender Angestellter. Herr S. ist der Geschäftsführung direkt unterstellt.

Es ist vorgesehen, Herrn S. nach Ablauf der Probezeit Gesamtprokura zu erteilen. Weiterhin ist beabsichtigt, Herrn S. bei erfolgreicher Führung des Unternehmens als Werksleiter, diese Position in die eines Geschäftsführers zu ändern”.

Auf der Grundlage eines Dienstvertrages vom 23.12.2002, den die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten mit dem Kläger abschloss, wurde der Kläger zu deren Geschäftsführer bestellt.

Mit Schreiben vom 29.06.2005 kündigte die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten den Dienstvertrag zum 31.12.2005.

Mit weiterem Schreiben vom 26.09.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger vorsorglich zum 31.03.2006.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten sei nicht wirksam aufgehoben worden, sondern habe während der Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit lediglich geruht. Die Parteien hätten die nach § 623 BGB erforderliche Schriftform für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen nicht gewahrt. Mit der Schutzfunktion des § 623 BGB sei es nicht zu vereinbaren, ein Arbeitsverhältnis konkludent dadurch enden zu lassen, dass der Arbeitnehmer mit Dritter Seite einen weiteren (Dienst-) Vertrag abschließe.

Die von der Beklagten unter dem 26.09.2005 vorsorglich ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei unwirksam, weil sie nicht sozial gerechtfertigt sei.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die von der persönlichhaftenden Gesellschafterin der Beklagten ausgesprochene Kündigung des Geschäftsführervertrages vom 29.06.2005 nicht aufgelöst ist;
  2. Die Beklagte zu verurteilen, ihn ab dem 01.01.2006 auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 26.01.2000 in der Fassung der Änderungen vom 27.04.2000 und vom 04.10.2000 als Werkleiter zu beschäftigen;
  3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26.09.2005 nicht aufgelöst ist, sondern über den 31.03.2006 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat den Standpunkt eingenommen, das Arbeitsverhältnis sei durch den Dienstvertrag vom 23.12.2002 mit Wirkung zum 01.01.2003 aufgelöst worden. Mit Abschluss dieses Vertrages sei der Formvorschrift des § 623 BGB Rechnung getragen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 02.11.2005, auf dessen vollständige Begründung Bezug genommen wird, im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen abgewiesen: Der Feststellungsantrag zu 1. sei unbegründet, weil zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung des Geschäftsführervertrages vom 29.06.2005 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden habe. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 26.01.2000 sei durch den Geschäftsführervertrag vom 23.12.2002 aufgehoben worden. Auch wenn der Geschäftsführervertrag des Klägers mit der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten keine ausdrückliche Regelung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien treffe, ergäbe eine Auslegung des Geschäftsführervertrages, dass der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien habe aufgehoben werden sollen. Im Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages durch einen leitenden Mitarbeiter sei im Zweifel die konkludente Aufhebung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses zu sehen. Dies gelte vor allem dann, wenn ein völlig neuer (Geschäftsführerdienst-) Vertrag mit einem anderen Vertragspartner als dem bisherigen Arbeitgeber geschlossen werde. So bestünden im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür anzunehmen, die Parteien hätten den bisherigen Vertrag beibehalten...

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